Als ich am Donnerstag Mittag so gegen 2 Uhr aus dem Krankenhausgebäude trat, strahlte die Sonne auf mich hinab. Nein, es ist nicht so wie ihr denkt. Normalerweise endet mein regulärer Arbeitstag nicht schon um 2 Uhr, aber da ich (mit freundlicher Unterstützung der Aussies) ja auch hier bin, um ein bisschen was vom Land zu sehen („you should really go on a trip! It’s gonna be cold soon!“), stand mal wieder ein Wochenendtrip auf dem Programm. Wohin ging’s? Nach Fraser Island. Wer war am Start? Jonas und Joli, die allen bereits bekannten „Fook’n Jo-Jos“, David (man betone das í!), ein Kollege vom Jonas und unser entspannter Spanier sowie Rachel, eine Bekannte von David und unsere kleine „is it safe?“ malaysische Chinesin. Und natürlich, wie könnte ich ihn vergessen: Struppi („wuff, wuff“), unser zuverlässiger 4W(heel) drive.
Wir fuhren also guten Wetters und guter Laune in Richtung Norden. Erstes Reiseziel: Rainbow Beach, wo wir eine letzte Nacht in Zivilisation verbringen wollten bevor es am nächsten Tag auf die Insel ging.
Die Weltmetropole Rainbow Beach hatte einiges zu bieten! Neben der Hauptstraße war eine ganze Nebenstraße der Hostelwirtschaft gewidmet. Wir hatten uns für ein kleines Hostel namens „Pippies“ entschieden, welches gleich den Anfang der Hostelstraße bildete. Pippies war freundlich und nett, hatte einen Fernsehraum mit stockfischigen „Mamamia-auf-DVD-Guckern“ sowie eine Küche auf Stelzen mit weintrinkenden Bagpacker-Gangs. Vollkommen angebrachter Weise brachte man uns im Hollywoodzimmer unter. Nachdem wir Hollywood bezogen hatten, machten wir uns auf zu dem kulinarischen Tipp unsrer Rezeptionistin: einem italienischen Resto. Kurz vor Aufbruch zum ersten gemeinsamen Abendessen meldete sich zum ersten Mal Rachels asiatische Standartfrage: „Is it safe?“ Und tatsächlich schwante auch mir in Rainbow Beach nichts als Unheil, sodass ich das Abriegeln der Glastür (es waren ja nur knapp 30 Grad draußen) als unbedingt notwendig erachtete.
Das Abendessen beim Italiener war dann nicht nur safe, sondern auch ausgesprochen lecker, sodass wir zufrieden schnurrend ein Six-pack Bier im Alkoholshop kaufen konnten, um uns damit gemütlich an den Strand zu trollen. Der Strand von Rainbow Beach überzeugte mit atemberaubenden Sternenhimmel, stiller Abgeschiedenheit und einer frisch-lau-bis-kühlen Briese. Schade war nur, dass der einzige trockene Fleck am Strand genau im Straßenscheinwerferlicht des Surfclubs lag. Naja, so war immerhin alles safe.
Nach einer Zeit der schweigsamer Meditiererei und fröhlichen Rumalberei, machten wir uns auch schon auf den Weg zurück zum Hostel, denn schließlich wollten wir am nächsten Morgen früh auf die Insel aufbrechen. Gott sei Dank konnte ich Rachel davon überzeugen, dass Jonas und David bestimmt in der Lage sein würde sämtliche nächtlichen Einbrecher in die Flucht zu schlagen, sodass eine geruhsame Nacht inklusive ausreichend Sauerstoffzufuhr gesichert war.
Struppi bellte bereits ganz aufgeregt, als wir am nächsten Morgen in Richtung Fähre aufbrachen. Und wenig später wurde auch schon der Allradantrieb eingelegt, um durch den tiefen Sand das Boot zu erreichen. Erneut schien eine pralle, dicke Sonne auf uns hinab und alles war in freudiger Erwartung auf die Überfahrt. Goodbye Pippies, welcome to Fraser Island.
Vielleicht sollte ich ein paar Worte über die Insel verlieren. Das besondere an Fraser Island ist, dass es eine komplette Sandinsel ist. Es gibt zwar drei verschiedene Arten von Wald, aber keine geteerten Straßen oder geebnete Wege. An einigen ganz kniffligen Stellen gibt es vielleicht schon mal ein paar Holzplanken zur Unterstützung, aber das war dann auch alles. Die „Inselautobahn“ ist der Strand, an dem man bei Ebbe 80 km/h fahren kann, während man sich auf den Backroads je nach Befahrbarkeit so zwischen 3 und 30 km/h schnell wird.
Da bei unserer Ankunft Flut herrschte ging’s zunächst über die Backroads. Holper, holper, wuff, wuff, polter, polter. Viel besser vermag ich Struppis Bewegungen über Stock (oder besser gesagt Wurzel) und Stein nicht zu beschreiben, da muss man glaub ich selber mal in so nem 4WD rumgehüpft sein, um das nachvollziehe zu können.
Die andere Besonderheit an Fraser Island sind diverse Süßseen, die über die Insel verstreut liegen. Einen derselben erreichten wir gegen Mittag. Schnell eine Runde schwimmen und dann große, leckere Sandwiches zum Lunch. So der Plan. Doch als wir das Seeufer erreichten, mussten wir feststellen, dass da, wo eigentlich Strand sein sollte nun See war. Der Regen hatte also auch auf Fraser Island die Pegel steigen lassen. So schmierten wir uns schnell die Sandwiches und brachen auf, um eine andere Zugangsstelle zum See zu finden. Wir erreichten bald einen kleinen Trampelpfad und nach ausgiebigen Trampeln auch das Seeufer. An der neu entdeckten Stelle war zumindest ein etwas weitläufiger Zugang, den man mit viel Phantasie als Strand bezeichnen konnte. Also rein in die Schwimmsachen und los ging’s. Während Jonas und ich bereits die Bauchnabelgrenze erreicht hatten, zitterte David noch am Uferrand und Rachel erkundigte sich nach der Sicherheitsstufe der Seebegehung. Doch schon kurze Zeit später plantschten wir alle zufrieden im See herum, während immer mal wieder Baumwipfel vom Ufer aufragten. Außerdem hatte der See (wahrscheinlich zur besseren Tarnung) die braune Farbe des Laubs angenommen, sodass ich unter Wasser als echter sonnengebräunter Tourist durchgegangen wäre.
Nach dieser kleinen Mittagspause ging’s auch gleich wieder weiter. Immer in Richtung Norden, wo unser Campingplatz lag. Doch schon nach kurzer Zeit, kamen wir erneut an einem See vorbei. Kurz aussteigen und schauen, wie der so aussieht konnte nun wirklich nicht schaden...
Als seien wir durch ein magisches Tor gekrochen, purzelten wir auf einen weißen Sandstrand, der den glasklaren See säumte. Und außer uns, keine Menschenseele weit und breit. Begeistert sprangen wir ins Wasser, spielten mit unserem australischen Football (der ist im Prinzip wie son amerikanisches Ei aussieht) und plantschten im seichten lauwarmen Wasser vor uns hin. Die Sonne war nach einer kurzen Regenpause auch wieder hinter den Wolken aufgetaucht, um dem schönen Nachmittag noch ein Sahnekrönchen aufzusetzen.
Als so langsam erste andere menschliche Wesen dieses Plätzchen Erde zu invasieren drohten, verließen wir unser kleines Paradies, um nun wirklich den Campingplatz aufzusuchen. Auf dem Weg dahin durften auch David und ich Struppi mal durch die Gegend fahren (Rachel fahren zu lassen, wäre not safe gewesen) und schon bald hatte ich meine Leidenschaft fürs 4W driving entdeckt. Wir schafften es trotzdem sicher zu unserer nächtlichen Ruhestätte, wo wir es gerade noch fertigbrachten vor Einbruch der Dunkelheit Zelte aufzubauen und uns ein bisschen einzurichten.
Zum Abendessen stand Barbecue Nr. 1 auf dem Programm. Doch zunächst musste dafür ein echtes Feuer entfacht werden. Mittels Zeitungspapier und vieler gesammelter kleiner Stöckchen gelang es auch nach einer Weile ein Feuer in Gang zu bringen, das die drei großen Holzklötze in Brand setzte. Doch sobald wir versuchten sie so zu wenden, dass sie den Grillrost halten konnten, kühlten Feuer und Glut rapide ab. Wie sollte so je das Känguru gar werden? Wir talpten also rüber zu den in Australien üblichen Gasbarbecues doch einer der beiden ließ sich gar nicht erst anschalten und der andere wurde einfach nicht warm. Während ich also begann darüber nachzudenken, ob nun etwas ältere Spanierwade oder doch junges Chinesenfleisch besser schmecken würde, unternahm David einen neuerlichen Versuch den Naturgrill ans laufen zu bringen. Schließlich klappte es mit aerodynamisch perfekter Holzscheitarchitektur doch noch die Glut heiß genug zu bekommen, um unsere Kartoffeln zu garen und die Würstchen, die Kängurus sowie die Schweinefilets schmackhaft und knusprig zu grillen. Schnell noch die Dingofallen überwinden (der Campingplatz war natürlich Dingo safe!), um eine Runde unsere Campingstühle am Strand Probe zu sitzen und dann ging’s auch schon ab in die Falle, es war ja schließlich schon nach 9!
Am nächsten morgen packten wir unsere Zelte wieder ein, talpten zu den funktionstüchtigen Barbecues (das Kaffeekochen dauerte zwar eine Weile, aber lohnte sich) und planten den Tag. Am Abend wollten wir uns einen Beachcampingplatz suchen, also einen Platz am Strand oder in den Dünen, wo wildcampen erlaubt war. Doch zunächst wollten wir noch die unmittelbare Umgebung des Campingplatz erkunden, denn, wie unser erfahrener Führer Jonas wusste, gab es direkt neben dem Campingplatz eine riesige Sanddüne. Als wir aufbrachen erwartete ich einen kleinen Sandhaufen, der Spiel, Spaß und Freude für Kinder unter 10 versprach, doch schon bald hatte ich den Eindruck mich in der tiefsten Sahara zu befinden. Jedesmal, wenn wir dachten endlich die höchste Düne erreicht zu haben, türmte sich eine neue vor uns auf. Doch irgendwann erreichten wir einen Punkt, von dem man ein Überblick über das Sandspektakel hatte, eine riesige Fläche heller Sand, umgeben von Urwald, an drei Seiten und abgegrenzt durch Meer an der vierten.
Als wir wieder zurück bei Struppi waren, galoppierte dieser weiter in Richtung Norden, da wir dort die schönsten Strandcampingorte vermuteten. David und ich bestanden allerdings darauf auch einmal im Meer schwimmen zu gehen und so schlugen wir schon bald den Weg in Richtung Westen ein, um die Insel einmal über die gesamte Breite zu überqueren. Auf der anderen Seite schien es einen vielversprechenden Schwimmplatz zu geben. Vielversprechend, zumindest sah er zumindest noch auf unserer Karte aus, doch einmal angekommen, wirkte es eher, wie eine gute Stelle zum fischen, als zum Schwimmen. Doch der erfahrene Abenteurer lässt sich von so was natürlich nicht abhalten und so wandert wir übern Strand, durch knöcheltiefes, braunes, stinkendes Etwas (ich weigerte mich einfach das zu Ende zu denken) und dann wieder übern Strand. Irgendwann kam ein kleiner Baum in Sicht, unter dem wir unser Lunch in den Schatten stellen konnten, ein guter Ort für unser Mittagspicknick.
Jonas und David waren bereits bis zur Hälfte über die Sandbank gewatet, ich folgte dicht dahinter und Rachel bildete die Nachhut. Ich bemerkte zwar, dass Jonas und David stehen geblieben waren und auf irgendetwas deuteten, aber noch dachte ich mir nichts dabei. Als ich aufgeschlossen hatte, berichteten sie, dass sie vielleicht einen „Stingray“ gesehen hätten. Sofort rief ich mir den toten australischen Krokodilehunter ins Gedächtnis, der mitten ins Herz gestochen wurde und daran starb. David zuckte mit den Schultern und so wateten wir weiter. Zu dem Zeitpunkt waren wir vielleicht 300 Meter der Sandbank überquert, etwa die Hälfte bis zu den sich brechenden Wellen. Da stieß Jonas auf einmal ein „Oh my God!“ aus und der größte Stingray, den die Menschheit je gesehen hat (Zitat David: „Like a huge airbus!“), steuerte direkt auf uns zu (in Wirklichkeit war er wohl ca. 1,5 Meter breit). Während sich der Killerrochen wahrscheinlich gerade überlegte, wie er möglichst schnell vor 4 riesigen Menschen fliehen könne, brach bei uns die beherrschte Panik aus. Rachel wollte auf Davids Arm springen, Jonas stand einfach nur da und ich überlegte panisch, wie ich wohl innerhalb weniger Sekunden das Fliegen erlernen könnte.
Betont lässig, auf keinen Fall hektisch rennend und mit dem rasensten Herz aller Zeiten schafften wir es gerade noch so wieder ans Ufer zu kommen. Von diesem Zeitpunkt an wurde „oh my god!“ der Spruch der gesamten Fahrt und der Frage: „is it safe?“ immer ein „no stingrays?“ angefügt.
So waren wir froh, als wir am Abend einen schönen Strandcampingplatz in den geschützten Dünen fanden. In unmittelbarer Nähe eines Sees, der zwar nicht so klar und sauber war, wie der vom Vortag dafür aber Seile an den umliegenden Bäumen befestigt hatte, mit Hilfe derer man ins Wasser springen konnte. Wir bauten die Zelte auf, entschraubten den Wein und begannen mit Barbecue Nr. 2. Es dauerte erneut ein bisschen den (diesmal instant) Grill zu entfachen, doch „no worries“, natürlich wurden wir alle satt und zufrieden.
Nach der ganzen Aufregung des Tages hatten wir uns eine geruhsame Nacht wohl verdient und so verzogen wir uns früh ins Zelt, wo ich begann von riesigen Stingrays und gefährlichen Dingos zu träumen. Als mich einer am Bein erwischte, wachte ich schweißgebadet auf, der festen Überzeugugn, dass wir einen Riesenlizard oder eine Schlange im Zelt hätten. Rachel schlummerte unberührt neben mir, während ich es erneut mit der beherrschten Panik versuchte („keep calm, keep calm! Where’s the fucking flashlight?“). Doch irgendwann schaffte auch ich es das Stingraytrauma hinter mir zu lassen und friedlich einzuschlafen.
Und schon war der letzte Tag angebrochen. Der Morgen begann mit dem nun schon bekannten Zeltabbau und einiger Verfahrerei (das die Flut auch den Strand unbefahrbar machen muss...). So erreichten wir gegen Mittag (wohl bemerkt zum zweiten Mal, konnte ja keiner wissen, dass der Weg nicht weiter führte) eine Service Station, die uns gnädiger Weise mit Kaffee versorgen konnte. Dann nahmen wir den letzten Programmpunkt in Angriff: Lake McKenzie, der wohl schönste See der Insel.
Der Weg zum See war holpriger als alles, was wir bis dahin erlebt hatten und während ich versuchte Struppi in über ganze Wurzelfelder, riesige Steinbrocken und durch tiefen Sand zu bugsieren, musste ich das ein oder andere Mal denken, ob der Stingray wohl das letzte gewesen sein sollte, was ich in meinem Leben erlebt haben sollte. Doch nachdem wir auch die Riesenpfützen passiert hatten, erreichten wir den See doch noch.
Lake McKenzie war wirklich wunderschön, leider ein bisschen voll von Backpackerreisegruppen (komischer Weise kamen auf einen Typen ca. 8 Mädels), aber als wir den Nebenstrand erreicht hatten, mussten wir alle zugeben, dass weißer Sand und ein blau schimmernder klarer See sich sehr gut aushalten lassen.
Leider fing es bald an zu regnen und die Fähre musste ja auch noch erreicht werden. So machten wir uns auf den Rückweg, der auch noch ein kleines Highlight zu bieten hatte. Kurz vor der Fähre begegnete uns noch ein Dingo (wir hatten zwar morgens schon 2 gesehen, aber dieser hechelte einfach noch etwas freundlicher).
Um vor der Einreise nach Brisbane noch ein bisschen Inselsentimentalität beizubehalten gingen wir dann auch noch in Mooloolaba ganz frischen Fisch essen, bevor wir dann mit mehreren Tonnen Sand im Gepäck nach Hause zurückkehrten.