Sonntag, 30. September 2012

Fairytails Vancouver: Teil 1


Gastown – Vancouvers ältester Stadtteil

In fast allen Städten gibt es Andenken an irgendwelche berühmten Persönlichkeiten. Mal sind es die Stadtgründer, mal Ureinwohner, die es im späteren Leben weit gebracht haben oder einfach nur symbolische Figuren, die über die Zeit in die Philosophie und Tradition der Stadtgeschichte eingegangen sind. So stapeln sich in Bremen beispielsweise die Stadtmusikanten, während man in Bonn einem grimmigen Beethoven begegnet oder in Aachen vom großen Kaiser Karl bewacht wird. In Vancouver hingegen gibt es Gassy Jack.

 
Gassy Jack steht an einer Ecke des ältesten Stadtviertels Vancouvers, nämlich Gastown. Von dort aus überblickt er wohlwollend das geschäftige Treiben der Touristen und Einheimischen, die in Cafes, Geschäfte oder Wohnhäuser strömen, ihm einen kurzen Blick zuwerfen und sich fragen, was diese berühmte Persönlichkeit in seinem Leben wohl vollbracht haben könnte, dass man nach ihrem Vorbild sogar eine lebensechte Statue errichtet hat. Die Antwort auf diese Frage ist recht simpel: Gassy Jack hat Vancouvers ersten Pub eröffnet. Ja, ihr habt richtig gehört, Vancouvers berühmtestes Stadtkind ist ein Kneipenbesitzer.

Damals hieß Vancouver noch nicht Vancouver, sondern Granville. Der Arbeitsmarkt in der Stadt sah zu dieser Zeit ungefähr wie folgt aus: Entweder man holzte Bäume, oder man rollte Holzstämme in Richtung Hafen, oder man ölte diese Holzstämme ein, damit sie besser rollten, oder man lud Holz auf Schiffe, oder man lud Holz auf Eisenbahngüterwagons, oder man holzte Bäume. Natürlich gab es auch schon damals das etwas gehobenere Volk, welches die Arbeiter und ihr Wohnlager stets im Auge behielt. Die Arbeiter wiederum schien das alles recht wenig zu interessieren, sie arbeiteten ihre 10 Stunden am Tag ab und begaben sich dann auf einen ca. 2-stündigen Marsch zum nächsten Pub (höchstwahrscheinlich waren es größtenteils Iren).

Gassy Jack nun, war für nicht so viel bekannt, außer dass er ein unheimlicher Schwadlappen war. Man muss ihm allerdings zu Gute halten, dass er eine Marktlücke erkannte, wenn er sie sah. So lieh er sich eines Abends ein Ruderboot von einem Fischermann aus, ruderte in den Vorort mit dem einzigen Pub in der Umgebung und schwatzte dem Besitzer ein ganzes Fass Rum ab. Leider ging dabei auch ein Großteil seines Vermögens drauf. Als er nun endlich mit seiner Frau und seinem Fass Rum in unmittelbarer Nähe des Arbeiterviertels ankam, hatte er keine Mittel irgendeine Art von Etablissement hochzuziehen. Doch Gassy Jack war clever. Er bat die Arbeiter um Mithilfe: Sie sollten ihm ein geeignetes Gebäude bauen, während er im Gegenzug mit ihnen sein gerade erstandenes Rumfass kostenlos teilen würde. Es heißt die Hämmer und Sägen seien vom Himmel gefallen und keine 24 Stunden später stand Vancouvers erstes Pub. Danke Gassy Jack!

Mit der ersten Kneipe erhielten auch schon bald Opium und andere Drogen Einzug in die Gegend, was wiederum den anständigen Teil der Bevölkerung nach Ruhe und Ordnung schreien ließ. Dafür führte man einen neuen Wachmeisterposten ein und besetzte ihn mit einem bestechlichen Gauner, der passender Weise auch noch den Nachnamen Brew trug. Herr Brew war tatsächlich zumeist betrunken und wenn man ihn fragte, warum er nicht für Ordnung sorgte, zuckte er nur mit den Schultern und sagte, dass er ja schließlich kein Gefängnis zur Verfügung stehen hatte. Daraufhin wurde ein Gefängnis gebaut, Herr Brew entlassen und ein neuer Wachtmeister mit dem Job der Straßenordnung beauftragt. Dieser hatte nun die Aufgabe Brew sowie seine Trink- und Drogenkollegen Abends in die Zellen zu verfrachten. Die Regel war hierbei ganz einfach: Die Tür blieb unabgeschlossen und wer am Morgen wieder in der Lage war die Tür zu öffnen durfte gehen. Die Straßen waren wieder sicherer, das Gesindel hatte einen Platz zum schlafen und alle waren zufrieden. Kanadischer Pragmatismus.

"Gaoler" ist ein altes Wort für "Jailor" (Gefangener)
Auch sonst ist Gastown hauptsächlich für seine Kneipenkultur bekannt. So ist eine Kneipe namens „Lamplighter“, die erste Kneipe Vancouvers, in der auch Frauen Alkohol ausgeschenkt bekamen (Frauenrechtler waren in Vancouver sowieso sehr stark vertreten). Zwar gab es noch einen separaten Eingang und abgesonderten Bereich, aber dafür durften die Frauen hier rauchen und trinken wie ihre Männer nebenan. Auch der Name kommt nicht von ungefähr denn zu der Zeit gab es einen einzigen Lichtanzünder, der in Gastown arbeitete und jeden Abend die Gaslampen vor jedem einzelnen Pub anzündete (der arme Mensch musste wahrscheinlich schon mehrere Stunden vor Dunkelheit anfangen, bei der Kneipendichte zu der damaligen Zeit).


Gastowns berühmteste Sehenswürdigkeit ist allerdings die Dampfuhr. Gastowns Steam Clock ist jedoch lange nach Gassy Jacks Zeiten entstanden und war wahrscheinlich die Idee irgendeines benebelten Späthippys. Die in 1977 errichtete Dampfuhr ist jedoch ein perfektes Symbol für das heutige Gastown, da sie wunderbar die Mischung aus alt und neu zeigt. Da viele Häuser und Straßenzüge noch vom Anfang des 19. Jahrhunderts erhalten sind, haben sich Städteplaner überlegt, wie sie das vergangene, alte Flaire des Stadtteils erhalten können. So ergänzen nun also die (wohlgemerkt elektronisch angetriebene) Dampfuhr, schwarz-gebogene Straßenlaternen und rotes Kopfsteinpflaster die alten Straßen und Gebäude.


Eine kleine Geschichte gibt es aus diesem Stadtteil noch, die von den Kanadiern nicht ohne ein Fünkchen Schadenfreude erzählt werden kann. Auf Gastowns Hauptstraße gibt es eine sehr bekannte Kunstgalerie, die sich besonders auf „Native Art“, also Kunst von Kanadas Ureinwohnern, spezialisiert hat. Diese besuchte unter anderem Bill Clinton während seiner Amtszeit als amerikanischer Präsident, um Geschenke für seine Familie zu kaufen. Unglücklicher Weise (also unglücklich für den armen Bill) fand sich eine kleine hölzerne Bärenstatue einige Zeit später in Monica Lewinskys Wohnung wieder und konnte so zum Aufdecken der ganzen Affäre beisteuern. Hill’s Native Art Gallery schweigt, genießt und wartet auf den nächsten Tölpel, der sich von ihren Produkten verführen lässt.


Das war's für heute von mir. Ich hoffe euch geht's allen gut. Viele Grüße aus dem märchenhaften Vancouver.

PS: Funfact aus meinem Arbeitsleben: Um in mein Büro zu kommen, muss ich 11 mal 11 Treppenstufen hochgehen. Da sag ich mal Alaaf und prost! Manche Dinge ändern sich wohl nie...



Montag, 10. September 2012

15.08. – 29.08. Besuch in Vancouver: Teil 2



Episode II: Play Ball – nordamerikanische Sportbegeisterung – but be careful not to drop it!

Wir als Europäer vergessen oft, dass wir unsere Identität mit in die Wiege gelegt bekommen. Ob nun fröhlich heitere rheinländische Mentalität, urbayrische engstirnige Denkweise oder nüchterne nordische Seemannsphilosophie, unsere Verhaltens- und Denkweise basiert auf Jahrhunderten der Sitten, Bräuche und Traditionen.
Junge Städte wie Vancouver hingegen versuchen permanent ihre Identität zu finden. Während man in den 20er Jahren noch Las Couver redete, versuchte man in den 50ern zum New York der Westküste aufzusteigen und weitere 30 Jahre später bekam man den Hongcouver Stempel aufgedrückt. Die Stadt versucht sich weiterhin jung zu präsentieren, was sie durch eine gewisse Öko-organic-Hippiementalität sowie ein Künstler und Musiker Kultur zu realisieren vermag. Doch als Europäer kann man nicht umhin das ganze mit einer „Bemühte-sich-stets-sehr-Attitüde“ zu belächeln. 

In mitten dieser „midlife crisis“ spielt Sport natürlich eine ganz große Rolle. Allgemein ist in Kanada Eishockey der größte und beliebteste Sport und nicht nur einmal kam es in Vancouvers Vergangenheit zu einem ausschreitenden Volksaufstand auf Grund eines verlorenen Eishockeyspiels (um genau zu sein verlor man 2 mal den Staneleycup im entscheidenen 7. Spiel). Doch in den Sommermonaten, ruht die Eishockeyliga und so rücken andere Sportarten in den Vordergrund. Während Fußball, Tennis und Golf ab und zu mal durch die Medien huschen, rücken Baseball und Canadian Football in den Vordergrund. So machten Felix und ich uns also auf uns die beiden Sportarten einmal von näherem zu begutachten.

Die Vancouver Canadians (ja, ja, sehr kreativer Name) spielen Baseball in der Minor League, was ist in etwa mit Deutschlands 2. Fußballbundesliga gleichzusetzen ist. Das Spiel, das wir uns ausgesucht hatten wurde zwischen dem ersten, den Boise-Hawks (Idaho-USA) und dem zweiten, den Vancouver Canadians, der Liga ausgetragen. Als wir zu den Tickettischen kamen, um unsere Eintrittskarten abzuholen, sahen wir überall Schilder, dass das Spiel ausverkauft sei. Das versprach eine mitreißende Stimmung. Zunächst kümmerten wir uns um ein echtes Stadionhotdog mit Stadionpommes und dann bezogen wir unsere Plätze schräg hinter den Schlägern, mit guter Sicht über das ganze Spielfeld.



Die Sitzränge waren zu diesem Zeitpunkt vielleicht zu ca. 30% gefüllt, doch es war ja auch noch relativ früh. Neben mir saßen zwei scheinbar eingeschweißte Baseballfans mit Caps und T-Shirts, die schon gebannt aufs Spielfeld starrten. Sonst wuselten jedoch überall Menschen hin und her, holten Bier, Hotdogs, Popcorn oder Riesensandwiches und hielten nur kurz inne um der amerikanischen und kanadischen Hymne zu lauschen, welche den Beginn des Spiels einläutete. Als die quietschende Akustik der Stadionanlage endlich überstanden war, ging das Spiel los, was allerdings niemanden (bis auf meine bewegungslose Sitznachbarin) zu interessieren schien. Es wurde gepitched, daneben geschlagen, getroffen, gelaufen, geworfen, gefangen, nicht gefangen, Spieler rausgekegelt und sogar ein paar Punkte gemacht. Dabei versuchten wir immer schön an den richtigen Stellen zu jubeln, wobei mir das nicht immer ganz gelang, denn der Unterschied zwischen einem Strike (Schläger hat versagt) und einem Ball (Pitcher hat versagt) ist nicht ganz so einfach zu verstehen, zu mal die Aufgabe des Schiedsrichters zu sein scheint, möglichst kurz das Ereignis anzuzeigen und danach seinen Helm vom Kopf zu reißen. So sah ich mich doch das ein oder andere Mal mit strengen Seitenblicken konfrontiert, als ich an falscher Stelle klatschte (in Fachkreisen spricht man auch von der höheren Kunst der Baseballsymphonie). Während ich vorher gehört hatte, dass es beim Baseball oft recht wenig Punkte gab, lief es bei uns doch ganz gut. Beide Teams brachten einige Leute durch, sodass es nach 4 Innings noch recht ausgeglichen 5:3 für Boise stand. Es hatte jedoch den Anschein, dass dies den Größteil der Fans recht wenig interessierte. Das Stadion war immer noch höchstestens zu 50% gefüllt und die Leute schienen sich mehr auf Essen, quatschen und das Fangen von fehlgeschlagenen Baseballs zu konzentrieren, als auf das Geschehen auf dem Platz.

Anfang des siebten Innings wurden alle auf einmal ganz aufgeregt, denn offensichtlich stand bald eine Pause an. Das sogenannte „seventh-inning stretch“ erwies sich dann auch als Highlight des Baseballabends. Die „grounds crew“, die dafür sorgt, dass die Aschezone des Platzes glatt gefegt wird, fing einen unbeholfenen Tanz an, während alle Zuschauer laut jubeln.

 
Im Stadion liefen große Sushirollen-Maskotchen rum, die jeder einmal anfassen wollte. Die „kiss cam“ suchte das Publikum nach begeisterten Pärchen ab, die sich dann in die Arme fielen und gespielt schüchtern einen Schmatzer gönnten. Das Stadion war während dieser Spielunterbrechung zwar immer noch nicht komplett gefüllt, aber ein Großteil der Ränge waren doch besetzt. Und als auf einmal auch noch der Ententanz losging, sprang sogar meine regungslose Sitznachbarin auf und stimmte begeistert in Gesang und Hinterngewackel ein. Wir waren bei all dem Geschehen derweil einfach nur verdutzt.


Nach dieser Unterhaltungseinlage hielten die meisten Gäste es nun aber auch wirklich mal an der Zeit zu gehen. Hinzukam noch, dass es zu diesem Zeitpunkt 11:3 für die Amerikaner stand, es so langsam kalt wurde, die Kinder müde quengelten und die Eltern am nächsten Tag arbeiten mussten. Die Besucher, die noch übrig blieben, tranken weiter Bier und versuchten mit mehr oder viel mehr weniger gekonnten Tanzeinlagen auf der Videowand zu landen. Überhaupt schien das Ziel als Baseballzuschauer zu sein entweder einen Baseball zu fangen oder aber mindestens ein mal auf der Videowand aufzutauchen.
Wir verfolgten derweil das eigentliche Spiel bis zum bitteren Ende und obwohl die Canadians noch auf 6:11 rankamen, konnte die Niederlage nicht mehr abgewendet werden. Doch darum schien es ja auch gar nicht zu gehen und so machten wir uns um eine schöne Erfahrung bereichert auf den Weg nach Hause.

Einige Tage später stand auch noch Sommersportartnr. 2 auf dem Programm: College Football. Canadian und American Football unterscheidet sich eigentlich nur in der Anzahl an Versuchen, die ein Team hat 10 yards zu überwinden, bevor das Ei wieder an das andere Team abgeben werden muss. Auf den ersten Blick lässt sich jedoch kein Unterschied zwischen American und Canadian Football erkennen: Dicke, dünne, große, kleine, träge, flinke, kräftige und schmächtige Männer reihen sich an der Seitenlinie auf und warten auf ihren Einsatz. Da das Spiel, das wir uns anschauen wollten, ein Vorbereitungsspiel der UBC (University of Columbia) war, hatte der Coach sich noch nicht für den endgültigen Kader entschieden, sodass sich ca. 96 Menschen an der Seitenlinie aufreihten.


Wie sich im Laufe des Spiels herausstellte hatte das junge Uniteam aus Vancouver Vorbereitung auch noch bitter nötig. Einer ihrer Quaterbacks (das sind die, die das Ei werfen oder weiterpassen) war zwar ein guter Läufer, aber ein nicht ganz so guter Werfer. Der nächste, der schon in seinem letztem Jahr war, war zwar ein guter Werfer, aber dafür inzwischen ziemlich lahm. Der dritte schien weder werfen noch laufen zu können. Nach dem dritten Quater lag Vancouver schon recht weit zurück und das Zuschauen wurde ein wenig frustrierend. Doch dann kam der vierte Quaterback, Dominik Bundschuh, ins Spiel. Dieser konnte sowohl werfen, als auch recht flink davon laufen und geriet unter Druck auch nicht in Panik. Dass nun ein Österreicher der Beste Quaterback des Teams war, war schon etwas bezeichnend. Bezeichnend war dann auch, dass der Hotdogstand pünktlich zur Halbzeit neue Würstchen auf den Grill legen musste und keine zu vekaufen hatte. Logistische Höchstleistung, wo doch der Ansturm zur längsten Spielpause vollkommen unerwartet kam.


Insgesamt kann man vielleicht festhalten, dass die nordamerikanischen Sportarten recht langwierig sind. Während einige vielleicht sagen würden, dass das daran liegt, dass hier viel Lärm um nichts gemacht wird, erlebe ich das Ganze doch etwas anders. So ein Sportereignis ist hier ein Teil der Kultur und Tradition. Sich das Spiel anzugucken ist viel mehr als nur mit seinem Team mitzufiebern, es geht viel mehr darum Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen, den Spielern auf dem Feld Anerkennung und Unterstützung zu zeigen, den Mittwochabend oder Sonntagmittag gebührend mit „Game Day“ zu betiteln und so Teil eines größeren Ganzen zu sein. Ein kleines Puzzelstück in der Suche nach der eigenen Identität. 


Episode III: Vancity – Vansterdam – Hongcouver: Die Stadt mit den vielen Gesichtern

Eine Stadt, die Meer, Strände, Berge, Buchten, Fähren, Wolkenkratzer und Segelflugzeuge hat, ist eine Stadt, die sich hervorragend und gleichzeitig ganz und gar nicht für einen Kurzurlaub eignet. Einerseits gibt es natürlich sehr viel zu besichtigen und zu sehen, aber andererseits ist es unmöglich das Flair der Stadt in so kurzer Zeit vollständig in sich aufzusaugen. Und als ob die Diversität der geographischen Lage nicht schon genug zu bieten hätte, muss man sich auch noch mit der kulturellen Vielfältigkeit herumschlagen. Im Osten Vancouvers lag z.B. lange Zeit ein Viertel, das hauptsächlich von Italienern und Griechen bewohnt wurde, doch als Chinatown immer weiter aus Downtowns heraus wuchs, wurden viele der Südländer noch weiter in die Vororte gedrängt, während andere eisern in ihren Läden und Straßen ausharrten, sodass man heute mitten in Chinatown einen der ältesten italienischen Supermärktchen, welches seit 1930 in fester (Mafiosi?) Familienhand ist, finden kann.

 
Vielleicht ist es wirklich am Besten unsere Stadtbesichtigungen kulinarisch einzuteilen. 

1. British – Fish&Ships: Für den ersten Tag hatte ich gleich eine der schönsten Aktivitäten geplant. Südlich der Halbinsel, auf der sich Downtown befindet, gibt es einen langen Fußgängerweg unterhalb der False Creek Bucht. Bei strahlenden Sonnenschein spazierten wir entlang des Wassers, vorbei an Segelboten, Wassersportlern, Gänsen, Joggern, Radfahrern und anderen Touristen. 



An einem kleinen Bootshaus gab’s zur kurzen Stärkung Fish&Ships bevor wir uns weiter auf den Weg zu meinem Lieblingsstrand, Kitsilano Beach machten, wo wir uns erholten und den Sonnenuntergang genossen.

 
2. Japanisch – Shushi, Tempora & Yakitori: Ganz bei mir in der Nähe befindet sich der sogenannte Commercial Drive. Dieser hat alles zu bieten, was der Feinschmecker, Biertrinker, Kaffeeliebhaber oder sonstige Exot so zu suchen vermag. Orientalische Restaurants sehen von außen so aus, als ob man aus Holzschalen trinkt und von Bauchtänzerinnen bedient wird, alternative Kaffees bieten vegetarisches, veganes und (ganz wichtig!) Gluten freies Essen an. Das belgische Bierkaffee hat die größte frisch gezapfte Bierauswahl in Nordamerika. Beim Argentinier gibt’s Steak, beim Mexikaner Wraps. Türken, Griechen und Italiener bieten in Minisupermärkten frisches Gemüse und heimische Spezialitäten an. Für moderne Business Leute gibt’s saubergeleckte Stehkaffees. Und die Krönung des ganzen ist ein kleiner Park, in dem Kinder spielen, Penner betteln, Alt-Hippies Gitarre schrummeln und alle gemeinsam einen Joint rauchen.


Wir entschieden uns schließlich für ein kleines japanisches Restaurant, in dem ich auch schon an meinem ersten Abend gegessen hatte. Neben dem verdammt gutem Essen konnte man dort live beobachten, wie Fisch vom Koch mit einem Brenner flambiert wurde. Außerdem wurden die Sushiplatten mit wunderschönen Rettichblumen verziert, die zudem noch ganz hervorragend schmeckten.

3. Japanisch/Kanadisch – Japadog: Kanadischer Volkssport ist unter anderem Essenswagen mit diversen Sauereien aufzustellen und die Leute mit kreativen Perversitäten zum snacken zu überreden. In Vancouver gibt es ganze Touren, die sich einmal durch die „Food stands“ futtern, wobei „Pig on the street“ ein Wagen, bei dem jedes Gericht (auch Gebäck) Schweinespeck enthält, das absolute Highlight zu sein scheint. Wir wagten uns an einen Japadog heran. Man muss wissen, dass die Kanadier ihre Hotdogs lieben. Smokeys, wie die gesmokte Wurst auch genannt wird, schmeckt zwar wie abgelaschte Schuhsohle (zumindest im Vergleich zur deutschen Wurst), doch tut man genügend Senf und Ketchup hinzu, lässt sich das ganze Gebilde gut verzehren. Nun kam jemand besonders Cleveres auf die Idee, man könne so einen Hotdog ja auch einfach mit japanischen Zutaten verfeinern. Klingt absurd, ist aber gut. Zumindest wenn man auf abgefahrenes Essen steht.


4. Afrikanisch/Nordamerikanisch – Yamfries: Ich muss gestehen, dass ich schwer verliebt bin. Und zwar in die Süßkartoffel. Allein schon der Name: Yam. Wunderbar. Was Yam heißt, muss auch „yummy“, also sozusagen Yam-my sein. Doch damit nicht genug. Denn direkt an der Waterfront, im Norden Downtowns, mit Blick auf die Berge, zwischen dem Wasserflugflughafen und der Hauptanlegestelle für Kreuzfahrtschiffe, gibt es einen Pub, der nicht nur frisch gezapftes lokales Pils verkauft, sondern auch noch super leckere Yam Pommes anbietet. Ich glaube wir waren innerhalb einer Woche gleich dreimal da, denn der Joli ihr Yam, ist von nun an wie dem Holländer seine Kartoffel.

5. Griechisch – Moussaka & Souvlaki: Einen etwas kleineren Commercial Drive, dafür aber komplett in homosexuell, gibt es in Downtowns Süden. Auf der Davie Street findet man ebenfalls allerlei Restauraunts, Kaffees, Kneipen, Bars, Bäckereien, Fastfoodläden und Bistros. Wir hatten uns für einen Griechen entschieden, bei dem die Schlange in der Regel bis zum nächsten Restaurant reicht.


Wir (schon vorgewarnt) waren allerdings rechtzeitig da, sodass wir nur einige Minuten warten mussten, bevor wir so richtig reinhauen konnten. Das Essen war phantastisch, aber auch ziemlich viel, sodass ich mich am Ende kaum noch bewegen konnte. Gott sei Dank rollte Felix mich bergab in die English Bay, wo wir am Strand den Abend ausklingen ließen.

6. Mediterranian/Exotic – Platter for 2: Wie man sich nun vielleicht denken kann, herrscht in Vancouver eine recht große Konkurrenz zwischen Gaststätten, da es einfach unzählige davon gibt. Doch fast alle lassen sich irgendetwas besonderes einfallen, um neue Gäste zu locken. So gibt es im Sanafir Dienstag Abend alles Essen zum halben Preis (ob der Lebensmittellieferant dort immer Mittwochs kommt, sollte man wohl besser nicht mutmaßen). Während ich auf einem ca. 30 cm tiefem Launchstuhl irgendwo unterm Tisch verschwunden war, konnte Felix die Geschehnisse auf der Granvillestreet, eine der belebtesten Straßen Vancouvers gut beobachten. Busse, Bullen, Punks, Tussen, Zuhälter, Skater, Rocker, Schnösel, Backpacker, Musiker, Tracker, Stöckler, Penner, Studenten und Touristen scheinen sich zu gleichen Teilen über die Granvillestreet zu schleppen, da auch hier das Angebot wieder weitumfassend ist (vom Sexshop bis zum Nobelschuppen, aber das ist eine andere Geschichte). Wir genossen also eine zusammen gewürfelte Essensplatte, mit Fleischbällchen, frittiertem Gemüse, Linsensalat, Calamaris, Spare ribs und Brot, Felix die Sicht und ich den Wein. Schlemmen im Herzen Vancouvers.


7. Italienisch – Gelato: Wer gewinnt einfach mal 2012 das Florence Gelato Festival? Richtig, ein Kanadier. Die Bella Gelateria liegt praktischer Weise direkt neben meinem neuen Yam-fries Lieblingspub, sodass sich zwei Leidenschaften gut mit einander verbinden lassen. Dabei überzeugt die Eisdiele nicht nur mit ihrer Lage oder etwa mit ihrem vorzüglichen Schokoladeneis, sondern auch mit Mut zum ungewöhnlichen. So kürten Felix und ich „salziges Karamel“ zum Sieger der probierten Eissorten.


Natürlich haben wir uns nicht nur durch Vancouver durchgegessen, sondern sind auch ordentlich über die Straßen gewälzt. Doch die Geheimnisse und Anekdoten der Stadt hebe ich mir (soweit sie noch nicht verraten habe) für ein anderes Mal auf.

 
Episode IV: Von Bergen und Bären: Warum Berge stets rufen und Bären keine Limonade verkaufen

Ein großes Muss in Vancouver, laut Reiseführer und auch andern Internationalen, mit denen ich gesprochen hatte ist der Grouse Mountain. Naiv wie ich war und bin, zudem auch nicht aus meinen Fehlern lernend, dachte ich mir, dass so eine kleine Wandertour ein schöner Programmpunkt für den Wochenendfeierabend sei. So nahmen wir am Freitag Nachmittag den Seabus in Richtung Nordvancouver, stiegen in einen Bus um und ließen uns am Fuße des Berges absetzen. Dort trafen wir auf allerlei Leute, die sich dehnten und stretchten, Joggingschuhe sowie Laufhosen trugen und uns mit hoch motivierter Miene entgegen blickten. Der Kanadier schien so einen Aufstieg sportlich ernst zu nehmen, doch nach meiner Erfahrung der olympischen Spiele, bei denen jeglicher Versuch des Abschneiden eines kanadischen Teilnehmers in höchsten Tönen gelobt wurde (nach dem letzten Platz heißt es hier nämlich „tremendous effort!“), beunruhigte mich das ganze noch nicht. Guten Mutes ging es also los. Immer bergauf. Über Wurzel, Stock und Stein. Und wieder über Wurzel, den nächsten Stock und dann den nächsten Stein, wobei sich alles immer ca. 2 Meter über dem vorherigen befand. Als ich gerade bereit war, meine Lunge das erste Mal auszukotzen, verkündete ein nüchternes Schild, nun sei das erste Viertel des Weges geschafft. Hallelujah! Ich hatte zwar gelesen, dass der Trail 2.9 km lang sei, aber von den 853 zu überwindenden Höhenmetern war nirgendwo die Rede gewesen (oder aber ich hatte den Teil gekonnt verdrängt). Die schlaksigen, durchtrainierten Bergstürmer, die uns von hinten überholten, waren genauso wenig motivierend wie hechelnden Halbleichen, die wir am Rande der Strecke zurückließen. Zumal ich mir sicher war, dass mein Kopf mindestens genauso rot und mein T-Shirt wahrscheinlich noch verschwitzter war, als die der pausierenden andern Verrückten, die sich an diesen Aufstieg begeben hatten. Das einzige, was am Ende tatsächlich ein bisschen Beine machte, waren Kommentare bezüglich unserer Alltagskleidung, da diese immerhin raunend als zusätzliches Hindernis erkannt wurden.


Nach etwas mehr als einer Stunde hatten wir es dann tatsächlich geschafft. Die Gipfelstation war erreicht, die Lunge zerplatzt, der Körper entschwitzt und die Muskeln übersäuert. Wer wissen möchte, wie man nach diesem http://www.grousemountain.com/grousegrind Trail so aussieht der schaue sich die nachfolgenden Bilder an, wer nichts von Zombiekunst hält, scrolle bitte schnell weiter nach unten.



Oben wurde man dann jedoch belohnt. Zunächst natürlich mit einem kühlen Bier, dann mit einer atemberaubenden Aussicht und schließlich auch noch mit dem Anblick zweier Grislibären. Diese verkauften zwar keine Limonade (neben einem Nahtoderlebnis hatte ich während des Aufstiegs auch gewisse Wahnvorstellungen), saßen dafür aber drollig und munter in ihrem Gehege.




 
Anschließend ging’s dann mit der Gondel wieder bergab, da der Trail runter einfach zu steil und gefährlich ist. Während wir auf die Stadt zusteuerten, neigte sich schließlich auch der Tag zu Ende und so tauchten wir in Vancouvers Nacht ein.


Nach dieser extremen Bergerfahrung stand mir der geplante Sonntagsausflug nach Whistler ein bisschen vor Kopf. Noch so eine Kraxeltour hätte ich nun wirklich nicht überlebt und so wandte ich das Unheil ab, in dem ich mir am Samstag auf ebener Strecke und ohne sichtbares Hindernis (es schien dann doch eine leicht hervorstehende Wurzel zu geben) den rechten Mittelzeh brach. Dies boykottierte zwar nicht den Trip an sich, aber doch behinderte es mich ausreichend, um Berggipfelerklimmungen zu vermeiden.

So wurden die Programmpunkte auf der Whistlertour also recht überschaulich gestaltet. Dreimal Wasserfall, zweimal See und ein langer Spaziergang.





Das absolute Highlight ereignete sich allerdings am Vormittag. Ich hatte gerade mein Aufwachritual mit einem Sprung in den See beendet und versuchte mich daran durch die Sonne spazierend etwas zu trocknen, als wir vor uns auf dem Weg auf einmal ein kleinerer Menschenauflauf erblickten. Felix scherzt: „Da sind jetzt ein paar Bären. Und die Mama sitzt gleich daneben.“ Ich hatte nämlich noch kurz vorher den Funfact zum Besten gegeben, dass Bären nur gefährlich sind, wenn sie Junge im Schlepptau haben. Kaum hatten wir also den Menschenauflauf erreicht, sahen wir im Gebüsch, glücklich vor sich hinmümmeln eine Bärenmama mit ihren zwei Jungen. Da wir nicht ganz so mutig wie der ein oder andere tollkühne Tourist waren, muss man leider viel Vorstellungskraft walten lassen, um wirklich einen Bären im Gebüsch erkennen zu können, aber ich denke, die dürfte jeder von euch aufbringen können. 


Whistler ist also auf jeden Fall einen Ausflug wert. Auch wenn’s noch nicht schneit und man sich noch zu Fuß durch die Gegend begeben muss. Und nach meinem Fazit ist Whistler im Gegensatz zu Victoria richtig authentisch touristisch, wobei der Versuch ein Alpendorf nach Nordamerika zu bringen in einem touristischen Mountain-Phantasialand geendet ist.

Japanischer Funfact of the day: In Japan sagt man, dass Leute, die jemanden vermissen einen ganz langen Hals bekommen, weil sie immer nach der geliebten Person Ausschau halten. Ich hoffe also, ihr seht alle aus wie Giraffen, wenn ich wiederkomme!

Dienstag, 4. September 2012

15.08. – 29.08. Besuch in Vancouver: Teil 1






Episode I: Reif für die Insel? Ein Wochenende Van – bzw. Whale-couver Island

Ein Monat in einer Großstadt geht schnell rum. Und schon sah ich mich Mitte August ständig mit der Frage konfrontiert, ob ich denn nun schon hier oder dort gewesen wäre. Doch nach einer 5 Tage Woche, finde ich es häufig schön am Wochenende einfach im Garten in der Sonne zu liegen und zu lesen, Football zu gucken oder an den Strand zu radeln und ein bisschen im Pazifik zu plantschen. Trotzdem war es sicherlich so langsam an der Zeit endlich ein mal Vancouver und seine Umgebung im Vollsten kennenzulernen. So war ein zweiwöchiger Besuch von Felix, einem Freund von mir aus Aachen, ein guter Anlass einige Ausflüge zu organisieren und zu planen.

Am ersten Wochenende hatte ich mir 1,5 Tage freigenommen und so reihten wir uns Freitag Nachmittag gegen viertel nach drei in die lange Schlange für die Fähre nach Vancouver Island ein. Die Sonne schien, der Wind wehte und die Menschen summten in freudiger Erwartung auf ein Wochenende auf der Insel. Es roch nach Sonnencreme, Schokoladeneis und Kaffee in Pappbechern. Die kleine Fährenanlegestelle in Tsawwassen, etwas südlich von Vancouver, gab ihr bestes Wartende zu einem Snack, einem Erfrischungsgetränk oder dem Kauf eines Souvenirartikels zu überreden. Derweil ließen die Wartenden sich genüsslich treiben, aßen, tranken, schnackten und sonnten sich. Wir ließen uns vom Treiben der Andern treiben bis wir gegen 16:00 Uhr schließlich an Bord der Fähre fuhren.

Eine Schiffsfahrt die ist lustig, eine Schiffsfahrt, die ist schön. In unserem Falle besonders schön, denn auf der Strecke zwischen Tsawwassen und Victoria passiert man allerhand dicke, fette, kleine Inseln, die sich in der Nachmittagssonne räkeln und den Fähren dabei zugucken, wie sie diese Landflecken umrunden. Während ein kräftiger Wind die Stimmen und Seufzer der Passagiere in die Weite davon trägt, übertönt das Martinshorn der Fähren alle naturgegebenen Geräusche und lässt den ein oder anderen heftig zusammenschrecken.


Als wir schließlich in Victoria ankamen, hatte sich längst ein wohliges Urlaubsgefühl eingestellt. Der Mietwagen ließ den Motor aufbrummen und schon ging’s los in Richtung Hostel. In Victoria, Downtown, angekommen, verbrachten wir zunächst eine gewisse Zeit mit verwirrender Interpretation der Parkplatzsituation und des Einbahnstraßensystems, doch schließlich schafften wir es das Auto zu parken und unser Mini-Zimmer zu beziehen. Leider konnte sich aufrecht stehend immer nur eine Person zur gleichen Zeit im Zimmer befinden, während die andere sich entweder aufs Bett oder in den Flur retten musste. Glücklicher Weise hatte man es allerdings geschafft einen Kühlschrank ins Zimmer zu zwängen, welcher nicht nur den fensterlosen Raum wärmte, sondern auch 60% der nicht-bebetteten Fläche in Anspruch nahm.


Dafür bekamen wir vom Hostelpersonal den Tipp, dass nur einen Block weiter ein sehr gutes Diner sein sollte. Und so machten wir uns auf den Weg zu John’s Place. Dieses kleine Restaurant war so, wie man sich ein Klischeediner aus jeder authentischen Hollywoodproduktion vorstellt. Die Wände mit Bildern von berühmten Gästen, amerikanischen und kanadischen Fernseh-, Showbusiness- und Sportstars übersäht. Direkt am Eingang wurde man von einer Vitrine hausgemachter Pies und Kuchen begrüßt, in der Mitte des Raums stand eine moderne Jukebox und wir durften sogar in einer echten rotbelederten „booth“ platz nehmen. Das Beste an John’s Place war jedoch das Essen, sodass ich bereits nach wenigen Bissen meine ungeteilte Liebe an den Koch gestehen musste. Und auch mit der Rechnung kam kein Schock. Für die gekonnte Explosion meiner Geschmackssinne wollte man nur gut 10 $ von mir haben, was hier in Kanada ein echtes Schnäppchen ist.


Nach diesem vorzüglichem Dinner, machten wir uns auf den Weg Victoria zu erkunden. Im Hafenbecken, welches wir überraschend schnell erreichten, war die Hölle los. Eine Mischung aus Volksfest und einer Massenpanne 21 chinesischer und 16 japanischer Reisebusse sowie die Bekanntgabe des Sommerschlussverkaufs in allen europäischen Metropolen schien sich hier abzuspielen. Alles wuselte, man machte ein Foto nach dem andern und direkt am Hafen wurde zu Schrummelmusik so etwas ähnliches wie Squaredance getanzt. Etwas verwirrt besichtigten wir das Parlamentsgebäude und das Nobelhotel, welche sich unter die Massen gemischt hatten.


Sogar die Bäume ließen unter all dem Rummel die Köpfe sinke

Symphatisch waren allerdings die Wale, die in allen Formen und Farben immer wieder an Victorias Straßenecken auftauchten und einem zuzwinkerten: „Hallo Tourist, ich wache über dich.“ Insgesamt ließ sich das Gefühl versehentlich nach Disneyland gereist zu sein jedoch nicht so ganz abschütteln und so schmiedeten wir Pläne am nächsten Tag noch etwas andere Teile der Insel zu erkunden.


Am nächsten Tag entdeckten wir, dass etwas nördlich von Victoria eine weitere kleinere Insel liegt: Sydney Island. Die Beschreibungen schienen vielversprechend und so machten wir uns auf den Weg gen Norden. Die Sonne schien und wir waren nicht in Eile, sodass es auch nicht so schlimm war, dass wir die kleine Fähre gerade verpasst hatten. So liefen wir noch eine Weile durch Sydney, einem Ort der ein bisschen an einen deutschen Kurort oder eine niederländische Strandurlaubssiedlung erinnern ließ. Der größte Unterschied zu europäischen Urlaubsstätten bestand wohl darin, dass wir es nicht schafften einen Volleyball aufzutreiben und uns mit einem Gummifootball begnügen mussten. Schließlich war es an der Zeit sich auf die ca. 40 mannstarke Personenfähre zu begeben und auf die Insel überzusetzen.

Nach Ankuft auf der Insel, eroberten wir sogleich den Strand neben einem Paar, das munter Kubb spielte. Überall über den Strand verteilt hatten Leute Hütten, Stühle oder einfach nur „Kunstwerke aus angespültem Strandgut bebaut, was der Insel ein gewisses Robinson Crusoe Flair gab.



Leider zog es sich kurz nach unserer Ankunft ziemlich zu. Ich, natürlich vollkommen unvorbereitet auf irgendwelche Wetterumschwünge (habe hier noch nicht so viel dazu gelernt), begann schon bald am Strand zu frösteln, sodass wir und auf einen kleinen Inselrundgang begaben. Doch nicht nur die Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben, auch die Insel erweckte den Eindruck trostlos, unbewohnbar und frei von Fruchtbarkeit zu sein. So streiften wir noch ein bisschen durch die Gegend bevor wir wieder aufs etwas festere Inselland übersetzten.




Für den Abend hatten wir den Tipp bekommen uns die berühmten Buchads Gardens anzugucken. Diese wurden von der Familie Buchad angelegt und gelten in der ganzen Region (vor allem unter Asiaten) als riesiges Highlight. Da an diesem Abend auch noch ein Feuerwerk anstand, hielten wir es für eine gute Idee uns das ganze mal anzuschauen. Das Vergnügen kostete dann auch nur 30$+tax pro Person, wobei man sich bei den Massen, die sich durch die Gärten wälzten nicht auszurechnen wagte, wie viel Umsatz der Garten an diesem Abend wohl machen würde. Insgesamt gab es 5 verschiedene Gärten (sunken, italian, japanese, mediterranean und rose), wobei jeder für sich einem wohl gepflegten deutschen Vorgarten in etwas gleichkam. Es gab mindestens genauso viele Besucher wie Pfanzen, sodass keine erholsame Parkstimmung aufkommen konnte.



Ok, das vorherige Urteil war vielleicht ein bisschen hart.

Doch auch wenn die Gärten uns nicht gerade vom Hocker rissen, hatten wir Spaß dabei winkend durch Gruppenfotos zu laufen (dabei wurde ich beinahe von einem ernst dreinschauenden Inder, der versuchte sein Frau vor dem Buchadsgarden Schild zu fotografieren mittels des Todesblick hingerichtet – andere würden für winkende rothaarige in ihrem Bild wohlmöglich hunderte bezahlen) oder aber aufgeregte Asiaten dabei zu beobachten, wie sie alles vollkommen fasziniert fotografierten.


Schließlich ließen wir uns auf der Wiese, von der aus man das Feuerwerk besonders gut beobachten konnte nieder und picknickten, entspannten und warteten. Kurz bevor das Feuerwerk losgehen sollte, fing es dann auch noch an zu regnen. Felix reagierte schnell und schaffte es so gerade noch rechtzeitig einen Schirm für jeden von uns zu organisieren, sodass wir zwischen einer Wiese aus Schirmen saßen und aufs asiatische „Ohhhh“ warteten, welches den Beginn des Feuerwerks besiedeln würde. Das Feuerwerk war schließlich liebe- und phantasievoll inszeniert und auch der Regen hörte  rechtzeitig wieder auf. Ich ließ unauffällig und illegaler Weise den Schirm mitgehen, sodass wir unterm Strich recht versöhnt aus den Gärten nach Hause fuhren.

Am nächsten Tag war es endlich soweit. Es war der Tag des langersehnten Whalewatchings. Als Ausgleich für den zugezogenen Samstag, kam pünktlich um 13:30 Uhr als wir das Whalewatching-Boot bezogen die Sonne heraus. Wir waren auf Victorias schnellstem Speedboat und Chris, unser Kaptain, hatte auch keine Scheu die Serengeti auf Hochtouren laufen zu lassen.


Wale waren bereits an diesem Tag gesichtet worden und alle 12 Gäste waren in hellster Vorfreude. Zunächst ging es jedoch zu den Seehunden. Diese lahmen Tiere machen tatsächlich 90% der Zeit einfach gar nix. In der restlichen Zeit fällt ihnen ein, dass sie auch essen müssen, um zu überleben und so schleichen sie sich an Hobbyfischer an, warten bis Fisch und Fischer in ihrem Kampf ermüden und schnappen sich die Beute einfach weg. Wer faul ist, ist bekanntlich meist clever und kreativ.


Während wir noch mit den Seehunden abhingen, erklärte uns Chris schon mal ein bisschen was über die Wale. Insgesamt gibt es in Victorias Umgebung 3 Rudel (J, K und L). Insgesamt beinhalten diese über 80 Wale, die in der Umgebung hausen und jeder ist anhand seiner Rückenflosse und teilweise auch auf Grund des Charakters einfach zu identifizieren. Alle Wale haben eine Nummer, die ihrem Entdeckungsdatum entspricht. So ist J2 z.B. die älteste Walin mit über 100 Jahren. Die älteste Waldame (von Chris auch liebevoll Grammy genannt) führt jeweils ihr Rudel an und versucht ihr wissen der nächstälteren Walin weiterzugeben, denn die Männer haben mal wieder nichts zu melden und sind eigentlich nur riesengroße Muttersöhnchen.  

Kurze Zeit später begann dann endlich das echte Walgucken. Wir hatten umheimliches Glück, denn an diesem Tag zogen alle drei Rudel an uns vorbei, sodass wir insgesamt bestimmt 60 verschiedene Wale zu Gesicht bekamen. Während wir bei den ersten noch aufgeregt „hier“ und „da“ schrien und allerlei schiefe Bilder machten, entwickelte man schon bald eine gewisse Routine.



 
Nach allgemeinem Wahlschutzgesetz gilt die Regel, dass man sich den Walen nur bis auf ca. 1 km nähern darf. Da die Rudel an diesem Tag überraschend nah am Ufer waren, waren nicht nur diverse kommerzielle Reiseunternehmer im Einsatz, sondern auch so einige Hobbybootler unterwegs. Kaum war ein Motorgeräusch in der Nähe der Wale zu hören, kam auch schon die Wasserpolizei angerauscht.


Das besondere an unserem Boot war nicht nur, dass es das schnellste Boot Victorias ist, sondern auch das vorhandene Hydrophon, mit dem man die Wale untereinander kommunizieren hören konnte. Besonders das K-Rudel war an diesem Tag sehr gesprächig und schnatterte quietschend vor sich hin. Es war wirklich beeindruckend die Meerestiere zu belauschen, auch wenn ich sagen muss, dass ich doch recht wenig verstand. Ich schnappte nur irgendetwas von Bauchgrummeln auf, doch dann war ich mit meinem walisch am Ende. Übrigens können Wale sich auch nur innerhalb ihres eigenen Rudels so richtig verständigen. Verschiedene Wale sprechen nämlich verschiedene Dialekte und Wale aus anderen Regionen wasserschallen gar in ganz fremden Sprachen.
Chris wusste jedoch unsere Begeisterung mit noch mehr zu wecken als nur Meertiefengeräuschen. Er vertrat den Standpunkt, dass er zwar nur bis auf 1000 Meter an die Wale heranfahren dürfte, doch sollten diese dann zufällig auf sein Boot zuschwimmen, könnte er nun wirklich nicht den Motor wieder anmachen um wegzufahren. So kreuzten wir die Route der Wale, schalteten den Motor aus und warteten darauf, dass sie in der Nähe auftauchten. Felix und ich standen gerade ganz vorne, als hinten am Boot das laute Geraune losging. Doch ich wusste es natürlich mal wieder besser, denn ich hatte kurz vorher nicht weit vom Boot entfernt einen Wal auftauchen sehen. Nun schon eine erfahrene Walguckerin, wusste ich, dass bald ganz dicht vor mir einer auftauchen würde. Und tatsächlich, zwei der Wale tauchten an der Nase des Boots auf und tauchten einmal darunter hinweg. Einfach nur beeindruckend!


 
Als allerletztes Walsahnehäubchen tauchte dann auch noch ein riesiges Kreuzfahrtschiff auf. Und wie immer musste der Mensch die Natur in ein irgendwie merkwürdiges Bild rücken, denn im Vergleich zum Kreuzfahrtschiff wirkt so ein Killerwal einfach nur lächerlich klein.


Doch damit nicht genug. Nachdem wir also in der Walbeobachtung regelrecht gebadet hatten, wartete noch eine andere Art von Seehunden auf uns. Diese lebte rund um einem Leuchtturm in einem Nationalpark. Sie waren nicht nur größer als noch die ersten Seehunde am Mittag, sondern auch noch fauler. Während die Weibchen sich darum kümmerten den Nachwuchs großzuziehen, sonnten sich die Männchen nur und schnatterten dabei unentwegt. Der Anblick war einfach nur Wahnsinn und wie Chris meinte, wie aus einem Heft des National Geographics!



Seehunde erobern Steine und Steg am Fuße des Leuchtturms
Noch einmal die Seehunde quieken hören, noch einmal neben den Walen treiben, noch einmal vom Wind Tränen in die Augen geweht bekommen, noch einmal die Mütze über die Ohren und die Handschuhe unter die Jacke ziehen. Dann waren wir auch schon wieder zurück in Victoria, wo John’s Place schon mit dampfendem Abendessen auf uns wartete.

Am Montag war dann auch schon wieder Abreisetag. Die Planung bestand darin erst die Westküste ein bisschen hochzucruisen und dann einmal quer über die Insel nach Nanaimo zu fahren, von wo aus wir die Fähre zurück nach Vancouver nehmen wollten. Während ich noch in meiner morgendlichen Dumpfheit verschlafen aus dem Fenster starrte, rollte das Auto über Highway 14 immer gen Norden, rechts gesäumt von Wäldern und links vom weiten Blick auf den Ozean, der immer wieder hinter den Bäumen in Erscheinung trat. Nachdem wir einige Aussichtspunkte passiert hatten, entschieden wir uns am Chinabeach einen längeren Stopp einzulegen. Zunächst ging es über einen 2 km langen Waldpfad auf und ab, bis und schließlich ein Haufen Vögel und eine französische Reisegruppe (nein! Keine vögelnde französische Reisegruppe – zwei verschiedene Gruppen) in Empfang nahmen.


Zunächst folgten wir den Franzosen. Nach dem Motto: da wo alle hingehen, wird’s schon ganz gut sein, doch auch, wenn der Strand einsam war, das Wasser wunderschön klar und das Panorama atemberaubend, war der Weg sehr steinig und wir entschieden uns nach kurzer Zeit umzukehren und den Weg in die andere Richtung einzuschlagen.


Hinter einer kleinen Biegung erwartete uns dann der tatsächliche Chinabeach. Ein wunderschöner Sandstrand, mit genau der richtigen Menge an Muscheln und Strandgut geschmückt. Im Rücken riesige Bäume und vor sich den offenen Pazifik mit vereinzelten kleinen weißen Segelbootpunkten. Das Wasser war klar, das Meer war ruhig. Perfekt!



Für mich gab es da nur eine Alternative: Ab in den Pazifik. Zwar schien wärmende Mittagssonne, doch es wehte auch ein frischer Wind, sodass das Klima am Strand angenehm mild war, das Wasser jedoch konnte man nur als abschreckend kalt bezeichnen! Unter lautem Geschrei und heftigem Prusten stürzte ich mich schließlich in den (laut Internetrecherche) 12°C kalten Ozean. Das tat weh, aber auch gut und sorgte schließlich auch dafür, dass ich nun wirklich wach war.

 
Da wir uns nicht eingecremt hatten und ich nun triefend nass war machten wir uns kurze Zeit später auch schon wieder auf den Rückweg zum Auto und ließen den wunderschönen Chinabeach physikalisch hinter uns. Doch in meinem Herzen war dieses Stück Erden nun immer mit dabei.

 
Nach dem Chinabeach legten wir erst einmal ein bisschen Strecke zurück und fuhren schließlich eine Schotterstraße in Richtung Sombriobeach hinunter. Auf ca. halben Strecke wurde die Straße abenteuerlich schlaglöchrig, sodass wir den kleinen Mietwagen abstellten und zu Fuß weiter gingen. Der Weg zog sich immer länger und als wir schließlich endlich am Strand ankamen, war kaum noch Zeit die Aussicht zu genießen. Außerdem hatte der sandige Chinabeach unsere Füße und Wahrnehmung ganz schön verwöhnt, sodass wir nur ein getrübtes Auge für den steinigen aber wunderschönen Platz Erde haben konnten.





Gegen Nachmittag gab’s dann nach langer Strecke vorbei an Seen, über Berge und durch Wälder noch einen letzten kurzen Zwischenstopp.


Am Cowichan Lake durfte ich mich mit Kaffee und Cockies stärken, um anschließend wieder genug Energie zu haben um in den nahegelegenen kleinen Bear Lake zu springen. Dort genossen wir noch die letzten wärmenden Strahlen der Nachmittagssonne bevor wir endgültig in Richtung Nanaimo düsten.

 
Nanaimo war nach dem Touristischen Victoria überraschend bodenständig. Am Hafen war ein kleiner Park angelegt, in dem Eltern mit ihren Kindern spielten oder Hunde Herrchen Gassi führten und auf einem langen Steg wimmelte es nur so von Angler in allen Größen, Formen und Farben. Wir ließen uns in einem Pavillon mitten im Hafen nieder und genossen ein ehrliches „Fish&Chips“ und ein kaltes Inselbier.
  
Als ob wir an diesem Wochenende noch nicht genug erlebt hätten, bekamen wir auf dem Rückweg auf der Fähre auch noch einen spektakulären Sonnenuntergang zu sehen. Kann der Abschluss eines solchen Wochenendes noch perfekter sein?




Auch wenn die Tour damit zu Ende war, so gingen die Erlebnisse weiter. Doch nun erst mal eine kurze Verschnaufpause für mich und euch. Viele Grüße von Fooken und Wa(h)l.


PS: Japanischer Funfact des Tages: „puff-puff“ bedeutet auf japanisch sein Gesicht im weiblichen Busen zu vergraben. Der Plan nach Japan zu reisen „Puff-puff?“ zu sagen und dann die Pfeife zu zücken hat bereits erste Formen angenommen...