Freitag, 31. August 2012

Kurzes Lebenszeichen


Ruhig war’s um mich in den letzten Wochen. Das liegt nicht etwa daran, dass ich Mitglied der chinesischen Mafia geworden bin oder mich meinem unausweichlichen Schicksal gefügt habe Japanischer Filmstar zu werden, nein, ich hatte zwei Wochen lang Besuch. So blieb neben der Arbeit und diversen Erkundungstouren keine Zeit mehr das exponentiell anwachsende Erlebte zu virtualisieren.

Vancouver präsentiert sich derweil weiterhin vielseitig. Doch eine Sache, die ich nicht umhin konnte zu bemerken, ist die Tatsache, dass die Stadt zwar noch sehr jung ist, dabei jedoch versucht ihrem eigenen Stil treu zu bleiben. So gibt es in der Innenstadt z.B. ein Gesetz, dass eine gewisse Wolkenkratzerdichte pro Quadratkilometer nicht überschritten werden darf. Außerdem gibt es eine vorgegebene Anzahl an Stockwerken, die nicht überragt werden darf. Ähnlich wie auch in Europa sollen durch diese Gesetze die historischen Gebäude der Stadt geschützt werden. So z.B. Vancouvers älteste Kirche, die Christ Church Cathedral, in welcher im Dezember des Jahres 1888 die erste Messe abgehalten wurde. Dass zu diesem Zeitpunkt nur die Hälfte des Gebäudes stand und die Messen im Keller abgehalten wurden (richtig, es stand sozusagen nur das Erdgeschoss und das ohne Dach) interessiert den stolzen Vancouverianer nun wirklich nicht und nur die Tatsache, dass man die Kirche später mit billigerem Material fertig stellte erinnert heute noch an die finanziellen Probleme, welche die Stadt damals hatte.


Weshalb erzähl ich das ganze nun überhaupt? Achja, es gibt eine sehr schöne und bezeichnende Geschichte zu dieser Kirche. Natürlich geht’s mal wieder ums Geld. Und zwar wollten GWL Reality Advisors gerne ein neues und höher als erlaubtes Hochhaus in Downtown bauen. Da dies jedoch auf Grund der gegebenen Gesetzlage nicht ging, kaufte man einfach die Kirche (da es auf dem Konto der kleinen Gemeinde gerade ordentlich brannte) und transferierte den Luftraum über der Kirche (heir durfte noch gebaut werden) einen Block weiter nordöstlich.


Die wunderbare Ironie an dieser Geschichte ist, dass GWL Reality Advisors ihr Hochhaus genau auf Burrard Street, Hausnummer 666 hochzogen. Die älteste Kirche Vancouver wird also von einer Firma besessen, deren Bürogebäude sich mit die Zahl des Teufels schmückt.

An jeder Ecke wartet also eine Überraschung. Das schöne ist wirklich, dass es hier endlos viel zu entdecken gibt. Ständig gibt es kleine Festivals und Veranstaltungen. So konnte man sich vor einigen Wochen in einem Vorort von Vancouver durch Essen aller möglichen Nationen kämpfen, sich in einem Park durch das Lichtermeer hunderter Laternen tragen lassen (ich hatte mindestens 3 Tage lang noch Ohrwürmer aller St. Martinslieder) oder Abends am Strand diverse Feuerwerke über der Stadt genießen.


Ihr seht, es geht mir nach wie vor sehr gut. Und da dieses Wochenende ein langes ist, werd’ ich sicherlich endlich mal die Zeit finden ein bisschen über die letzten Wochen zu berichten. Bis dahin sonnige Grüße

Mittwoch, 15. August 2012

Leben in Vancouver Teil I

Regenwald, Berge, Strand und Stadt. Das ist Vancouver!


Vancouver: Hauptstadt Kanasiens

Vancouver, welches erst um 1870 herum gegründet wurde, ist eine noch sehr junge Stadt. Einst sollte es Teil der USA werden, da die Staaten somit auch geographisch mit Alaska verbunden gewesen wären. Doch der damalige kanadische Premierminister beschloss eine Eisenbahn von Ost- zur Westküste bauen zu lassen und so das Land unzertrennlich zu vereinigen. Heute ist Vancouver eine der größten Städte Nordamerikas, wobei nur ca. 25% der 2,3 Millionen Einwohner echte Vancouverianer sind. Der Rest setzt sich aus Einwanderern aus ganz Kanada und dem Rest der Welt zusammen, wobei der Rest der Welt dabei stark durch den asiatischen Kontinent vertreten ist.

Das alles wusste ich natürlich noch nicht, als ich dem atlantischen Ozean den Rücken zukehrte und an der pazifischen Küste landete. Von meiner Wohnung hatte ich nur den Namen der nächstgelegenen Bahnhaltestelle sowie die Handynummer meiner Vermieterin. Doch noch vollkommen tiefenentspannt machte ich mich blinden Vertrauens auf den Weg nach „East Vancouver“. Und tatsächlich, nach einigem hin und her wurde ich von einer nur gebrochen englisch sprechenden asiatischen Assistentin eingesammelt und in mein neues zu Hause geführt. Dieses liegt etwas außerhalb der Stadt, allerdings noch nicht in einem der vielen Vororte. Mit der Bahn braucht man ca. 15 Minuten in die Innenstadt, mit dem Fahrrad eine halbe Stunde. Von hier zu Uni brauche ich zwar ungefähr eine Dreiviertelstunde, aber der Bus fährt durch und so kann ich die Zeit zum lesen, aus dem Fenster schauen oder schlafen nutzen.

Mein Zimmer beschränkt sich auf bescheidene 6 Quadratmeter, wobei es dafür 450 kanadische Dollar im Monat verlangt, denn Vancouver ist tatsächlich eine der teuersten Städte Nordamerikas, vielleicht sogar der ganzen Welt.


Die Wohnung hat allerdings so einige Vorteile. Erster Pluspunkt sind das geräumige Wohnzimmer und die große Küche.


Des weiteren haben wir ums Haus herum einen kleinen Garten, wobei man diesen nach hinten raus auch recht ungestört (bis auf kopfschüttelnde Nachbarn, die sich über europäisches Verhalten wundern) zum sonnen, lesen oder entspannen nutzen kann.

In der Ferne kann man vom Garten aus die Berge erkennen
Mein Fahrrad wacht über den Hintereingang der Wohnung
Das Beste an der Unterkunft sind allerdings die Japaner. Zum Zeitpunkt meines Einzugs lebten noch 4 Japaner in den andern Zimmern. Natürlich stellte ich mir direkt die Frage, ob ich nun in einigen Wochen mit Stäbchen essen, stets höflich nicken und schüchtern kichern würde oder aber ob es bald schon Bier trinkende, fluchende und Unsinn im Kopf habende Japaner geben würde. Diese wissenschaftliche Untersuchung musste zunächst jedoch auf die nächsten Wochen verschoben werden, denn zunächst gab es eine viel wichtigere Frage zu klären: Wo hatten die Japaner ihre Zahnbürsten? Als ich das Bad bezog, fand ich Duschzeugs, Seife, Kontaklinsenutensilien, Klopapier (jeder seine eigene Rolle) und Kosmetikprodukte, aber keine Zahnbürsten oder Zahnpasta.

Doch nicht nur die Japaner schienen mir ein Rätsel aufzugeben, sondern auch umgekehrt. Als ich mir eines Abends (ok, es war schon ca. 23:00 Uhr) noch ein Spiegelei briet, tauchte die erste Mitbewohnerin in der Küche auf: „Oh?!? Dinner???“ (dieses wurde sehr erstaunt und mit weit aufgerissenen Augen vorgetragen. Ich versicherte, dass mir nicht jeden Abend kurz vor Schlafenszeit ein Ei braten würde, nur an diesem Tag irgendwie die Abendessenszeit verpasst hätte, als die nächste hereinspazierte: „Oh?!? Dinner???“. Gleiche Gestik, gleicher Tonfall, gleiches Erstaunen. Ganz stark diese Bande!

Insgesamt ist das Zusammenleben mit Japaner (zumindest den meinen) in der Tat sehr angenehm. Sie sind ruhig, leise, zuvorkommend, sauber, höflich und verstehen (wenn die Sprachbarriere einmal überwunden ist) sehr viel Humor. Leider sollte mein japanischer Klan nicht lange zusammenbleiben, denn schon bald zogen erst 2 und dann auch noch die dritte der 4 Japaner aus. Es blieb mir also nur noch Maiko, meine direkte Zimmernachbarin, die (wie sich vielleicht schon vermuten ließ) zu früherer Zeit einmal 3 Jahre in Frankreich gelebt hat und dort eine Ausbildung zur Konditorin abgeschlossen hat. Und die in Strasbourg nicht nur französisches Backwerk, sondern auch gute deutsche Wurst kennen und lieben gelernt hatte.


Während Maiko mich also öfter mal mitnimmt, wenn sie und ihre Freunde aus der englischen Sprachschule irgendwas unternehmen, kam es in den restlichen Zimmer zu reger Wechselei. Zunächst zog China ein. Und mit China auch eine zweite Zahnbürste ins Bad. (In der Zwischenzeit hatte ich alelrdings auch Maiko und eine der nun schon wieder weggezogenen Japanerinnen beim Zähneputzen erwischt.) Was mich erstaunte war, dass mir sofort der Unterschied von der Chinesin zu den Japanern auffiel. Schon beim Einzug, als um ca. 22:30 Uhr eine chinesische Großfamilie unsere Wohnung stürmte und alle mindestens 10 mal durch Flur und Wohnzimmer trampeln mussten, kam ich nicht umhin zu bemerken, dass man in der chinesischen Kultur nicht so viel Wert auf akustische Rücksicht zu nehmen scheint. Auch mit der Sauberkeit sieht es bei China nicht ganz so rosig aus (so scheint z.B. duschen ein synonym für „Badezimmer unter Wasser setzten“ zu sein). Doch alles in allem ist auch die chinesische Mitbewohnerin nett und umgänglich.

Und Wiedergutmachung ließ auch nicht lange auf sich warten, denn in den andern beiden Zimmern zogen erneut Japaner ein. So gibt es neben Maiko nun auch noch Yasu, einen tapsigen Riesenjapaner mit rot gefärbten Haaren. Yasu ist ganz begeistert, dass ich aus Deutschland komme und bietet mir ständig Süßigkeiten, Bier oder Zigaretten an. Im Gegenzug darf er mitessen, wenn ich koche und auch wenn auch er durch seine Tollpatschigkeit die Hausruhe derweilen schon mal ein bisschen stört, ist es ein schönes Zusammenleben mit den beiden.


Doch auch wenn die Wohnung schön ist und ich mich hier wohlfühle, so ist Vancouver gerade im Sommer eine Stadt, in der man sich so viel wie möglich draußen aufhalten sollte. Und was ich da so erlebe gibt’s dann beim nächsten mal. Hier aber schon mal ein kleiner Vorgeschmack, was es in Vancouvers Straßen so zu entdecken gibt...

Shoefiti! Weitverbreitet in Vancouver


Samstag, 11. August 2012

04.07. – 18.07.2012 Canada Maritimes (Nova Scotia - New Brunswick - Prince Edward Island)


Rita MacNeil - She's Called Nova Scotia

She grows on you slowly the first time you meet
There's just so much beauty the heart can believe
And you want to stay longer and she's ever so pleased
You're one of the many who don't want to leave

So walk through her green fields, Go down to the sea
The fortune in your eyes is more like a dream
She's called Nova Scotia and she so makes you feel
You discovered a treasure no other has seen

It's hard to remember the places you've been
For once in her presence she's all that you've seen
And she cradles you softly like a warm gentle breeze
And wins your heart over with a feeling of peace

She welcomes the strangers from far away shores
While deep down inside her, Some walk through her soul
And at night in her slumber, The winds softly call
And awakens her spirit that lives in us all

So walk through her green fields, Go down to the sea
The fortune in your eyes is more like a dream
She's called Nova Scotia and she so makes you feel
You discovered a treasure no other has seen
 















Episode 1: Das Drama von Londonderry

Während ich zu meiner kanadischen Highschoolzeit noch im ländlichen Thorburn (man lese sich zu näheren Information die ausführliche Wikipedia Beschreibung durch http://en.wikipedia.org/wiki/Thorburn,_Nova_Scotia) untergekommen war, waren meine Gasteltern inzwischen ein paar mal durchs Land gezogen und schließlich in Londonderry gelandet. Londonderry, welches zu Hochzeiten auch Acadia Mines hieß, war noch im späten 19. Jahrhundert eine florierende Stadt, die durch vielversprechende Eisenerz- und Stahlgruben viele Arbeiter anzog und eine sagenhafte Bevölkerung von ca. 5000 vorzuzeigen hatte. Heute leben dort noch ca. 200 (Katzen, Hunde und Kühe mitgezählt) Einwohner. Wie dem auch sein, nach anstrengenden Wochen in Deutschland (Pfingsten, EM, Deutschlandreise, Festival) war die Aussicht auf ein paar Tage Londonderry sehr vielversprechend.

Mich wieder in meiner Gastfamilie zurecht zu finden fiel mir nicht schwer. Das kleine Haus in Londonderry hatte die gleiche Aura wie das damalige Haus in Thorburn und besonders freute ich mich darüber, dass über dem Tisch immer noch die mir bekannte Holzdekoration hing, die „sit long, talk much“ verkündete. So saßen wir, aßen, quatschten guckten Fernsehen und feuerten meine Gastmutter an leckere Sachen zu backen. Die ersten Tage drehten sich also um essen, schlafen, spazieren gehen, den nächstgelegenen Masstownmarket besichtigen sowie einige Sachen für Vancouver zu organisieren.

Kostenloses Angebot des Masstownmarkets: Foto mit Hut...
Die Zeit plätscherte so dahin und ich fühlte mich wohl und endlich mal so richtig im Urlaub. Ausschlafen, entspannen, das Leben genießen... Doch dann passierte es. An einem meiner nachmittaglichen Erkundungsgänge durchs Umfeld Londonderrys, vorbei am runtergekommenen Hotel, einer verkommenen Kirche und einem nicht mehr benutzten Baseballstadion, trieb es mich zu Londonderrys Fluss. Nachdem es an den Tagen zu vor noch regnerisch und kalt gewesen war, war ganz unverhofft die Sonne herausgekommen und so krempelte ich die Hosenbeine hoch und watete ein bisschen durch den Fluss. Schon bald kam ich an ein echtes Flussdelta und beschloss eine kleine Runde zu drehen, sodass ich später zurück auf die Straße kommen würde. 

Mehrere Flussüberquerungen so wie ei ausgeglichener Kampf mit hüfthohem Gras waren die Folge. Als ich all diese Hindernisse schließlich hinter mir gelassen hatte, befand ich mich auf einmal an einer besonders breiten Stelle am Fluss. Weit und breit war niemand zu sehen. Die Sonne schien immer noch warm auf mich herab und so entschied ich mich einer spontanen Eingebung folgend kurz mal eben ins kalte Wasser zu springen. Jeans und T-Shirt waren schnell abgelegt und schon plantschte ich glücklich in Londonderrys Gewässern vor mich hin. Denn in Kanada ist ja wie jeder weiß „KeinerDa“. Doch als ich mich gerade aus dem Wasser erhob, um zum Ufer zurückzuwaten sprang mir auf einmal ein großer hechelnder Hund entgegen, glücklich darüber endlich einen Spielgefährten im Wasser gefunden zu haben. Dicht gefolgt sein Herrchen, ein etwa Mitte 40 jähriger Herr, der mich verdutzt musterte und perplex grüßte. Nun war das Dilemma perfekt. Ich war zwar noch rechtzeitig bis zum Hals wieder abgetaucht, konnte jedoch auch nicht ewig im Fluss weiterplantschen, zu mal der Hund mich immer wieder aufforderte ihm ein Stöckchen zu werfen. Herrchen versuchte derweil mich dezent zu übersehen, doch als ich mich dann schließlich doch aus dem Wasser erhob, entschied er sich in einen taktischen Smalltalk überzugehen.  Während ich versuchte mir so schnell wie möglich meine Jeans überzuziehen (besonders erfolgreich, wenn man tropfend nass ist), war ich mir sicher, dass Hund und Herrchen so etwas noch nie (zumindest in Londonderry) erlebt hatten. Herrchen warf auch entschuldigend ein, dass sie normalerweise immer morgens an diese Stelle kommen würden. Ich wünschte schließlich noch einen schönen Tag und stahl mich unauffällig davon. Eins war klar: Nach diesem Debakel musste ich Londonderrry so schnell wie möglich wieder verlassen.


Episode 2: Life in the Maritimes: Moncton the „Hub City“ & Lobster Capital Pictou

Ziel meines selbstorganisierten Täterschutzprogramms fiel auf Moncton, einer kleinen Stadt in New Brunswick. Dort lebte eine meiner Highschool-Freundinnen mit ihrem (inzwischen) Mann in einem eigenen Haus. Da sie auch noch an genau diesem Wochenende Geburtstag hatte, bot sich ein Ausflug nach Moncton gerade besonders gut an. Das ganze Unterfangen versprach aus zweierlei Gründen pure Aufregung: 1. versetzte mich die Aussicht auf einen echten Stadtbesuch (ca. 70000 Einwohner) in helle Aufregung und 2. stand mir ein Kulturschock  der (und das soll jetzt wirklich nicht negativ klingen) Bürgerlichkeit bevor.

Nicole und Chris waren jetzt seit ca. einem Jahr verheiratet. Hatten gerade ein Haus gekauft und waren noch dabei alles einzurichten. Ich hatte mein eigenes Gästezimmer im Keller und es gab zwar noch keine Kinder (nach meinem Zwischenstand auch keine in Aussicht) dafür aber 2 Meerschweinchen und zur Zeit meines Besuches 2 Gastratten. Der normale Wochenendablauf der beiden schien darin zu bestehen mit ihren Freunden Brettspiele oder Playstation zu spielen oder aber tagsüber den nächstgelegenen Comicladen aufzusuchen. Nicole arbeitet als Vertretungslehrerin, während Chris Glücksspielautomaten programmiert. An jenem Freitag Abend standen die beiden nun vor dem Problem, dass sie Besuch von ihrer weitgereisten Freundin aus Deutschland hatten, der sie ihrer Meinung nach ein Unterhaltungsprogramm bieten mussten. So wurde also schnell ein kneipenkundiger Freund von Chris zu Hilfe gerufen und los ging’s.

Was für mich ein eher ruhiger Abend (Bier, Pizza und angeregte Unterhaltung in zwei Kneipen) war, schien für meine Gastgeber das soziale Erlebnis des Lebens zu sein. Nachdem ich ihnen irisches Cider im Irish Pub gezeigt hatte, war auch meine Aufgabe des deutschen schlechten Einflusses erledigt und wie mir später berichtet wurde, war ich dafür verantwortlich, dass sie so betrunken wie noch nie gewesen wären (es handelte sich insgesamt um vielleicht 4 oder 5 Bier bzw. Cider). Die Tatsache, dass wir dann nachdem wir nach Hause kamen noch eine Runde Karten spielten sorgte dann schließlich auch noch dafür, dass die beiden länger aufblieben als je zuvor in ihrem Leben (wir gingen um 04:00 Uhr schlafen). Vom schlechten Gewissen geplagt bereitete ich am nächsten morgen direkt einmal mein berühmtes Frühstücksei zu. Ich sollte schließlich nicht als German Troublemaker in Erinnerung bleiben.

Kulturschock "verheiratetes häusliches Leben" war also überstanden. Nun ging es Samstag morgen darum die Stadt zu besichtigen. Das schöne an Moncton ist, dass es komplett zweisprachig ist. Kanada hat zwar offiziell zwei Sprachen, aber die meisten Kanadier können wirklich nur die Sprache sprechen, die in ihrem Teil des Landes gesprochen wird. Nicht so in Moncton. Englisch und französisch schallte zu gleichen Teilen durch die Straßen und Schilder (rue de CHURCH street)  sowie Ladenangebote waren alle zweisprachig. Gut gefiel mir auch Monctons Wochenendmarkt, auf dem es von lokalen bis internationalen Spezialitäten alles zu erstehen gab.

Nicole und Chris in Monctons Wochenmark

 
So war also auch Kulturschock "Stadtleben" gemeistert bis es schließlich an der Zeit sich auf den Weg zurück nach Londonderry zu machen. Einen erlebnisreichen Ausflug in ein etwas anderes Leben im Gepäck brauste ich über die leeren kanadischen Highways in froher Erwartung schon bald Jenny und ihren Verlobten wiederzusehen.

An diesem Abend kamen nämlich alle zusammen. Aus Platzmangel waren Jenny, Ally (meine 2 Gastschwestern) und ich im Zelt im Garten untergebracht, während Jay und seine zwei Töchter im Wohn- bzw. Arbeitszimmer ihr Lager aufschlugen. Zelten in Nordamerika bedeutet übrigens ein möglichst großes und komfortables Luftbett aufzubauen und sich dort unter ca. 10 Decken und mit 20 Kissen ausgestattet zu Ruhe zu legen, sodass ich mich am Abend auf meiner 2 cm dicken Isomatte neben einem 1,50 m hohem, riesigem Ungetüm von Bett wiederfand.

Die Ankunft von Jenny, Jay und den Mädels brachte gleich sehr viel mehr Leben ins ruhige Londonderry. Am nächsten Tag rollten wir alle in die nächstgelegene baptistische Kirche und es war schön meinen Gastvater mal wieder predigen zu hören (auch wenn ich nach wie vor die Meinung nicht teilen kann, dass die Evolution nie stattgefunden hat). Anschließend gab es ein großes Familienbarbecue, bei dem ich alle möglichen Familienmitglieder wiedererkennen sollte, die ich seit ca. 8 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Schließlich war ich dann doch froh, als ich Abends mit meiner kleinen Gastschwester in Richtung Cottage aufbrach.

Die Cottage ist eine Art Ferienhaus, in der Nähe von River Johns Strand mitten im Nirgendwo. So weit im Nirgendwo, dass man dort weder Internet- noch Telefonempfang hat. Meine Gastschwester musste immer auf den nächstgelegenen Hügel fahren, um mit ihrem Freund zu telefonieren. Und ich musste mich schließlich auf den Weg nach Pictou (der nächstgelegene Gemeinde) machen, um meine Emails zu checken.

So fuhren wir Mädels also alle nach Pictou, ich wurde vor der Bücherei abgesetzt, während meine beiden Gastschwestern einkaufen gingen und wir und schließlich auf ein Bier später im Hafen verabredeten. Während ich auf den Treppen vor der Bücherei in die Tasten hämmerte (diese war Montags natürlich geschlossen), liefen alle Einwohner Pictous mindestens einmal an mir vorbei und hatten irgendeinen Kommentar zu meinem Dasein abzugeben. Es war also nur eine Frage der Zeit bis auf einmal auch der Bürgermeister erschien und mich in ein Gespräch verwickelte. Stolz darauf einen internationalen Touristen in seinem kleinen Ort zu entdecken, erzählte er mir wie toll seine Stadt doch sei und wies mich an mich nicht vom Fleck zu bewegen, während er davon eilte. Ich emailte also brav weiter bis er schließlich mit einem Pictou-Wappen-Anstecker wiederkam, den er mir glücklich überreichte. Hier bewegte sich das Leben wirklich noch in einem anderen Zeit-Raum-Kontinuum.

In der Bar mussten wir dann schließlich feststellen, dass in Pictou auch noch der weltbekannte Lobsterkarnival stattgefunden hatte. Der Lobsterkarneval ist eine Art Stadtfest bei dem sich alle Älteren hoffnungslos betrinken, während kleinere Kinder auf die plus-minus 2 aufgebauten Karusselle gehen dürfen. Wir sahen nur noch die Überreste des Festivals in der Bar rumhängen, sodass wir Pictou schnell wieder hinter uns ließen, um den Urlaub im Nirgendwo in vollen Zügen zu genießen.


Episode 3: Ferien in Nova Scotia: That’s the life!

Die nächsten Tage wurde vom allerfeinsten entspannt. Das schöne an Nova Scotia ist, dass es fast komplett unentdeckt von Touristen ist, sodass man an manchen Tagen den Strand ganz für sich alleine hat. Neben einigen kleinen organisatorischen Sachen für die Hochzeit (z.B. der wichtigen Weinprobe)

verbrachten wir unsere Tage also damit gut zu essen, zu schlafen oder am Strand zu entspannen.






Als Belohnung für die tiefenentspannten Ferientage gab's dann Abends auch noch atemberaubende Sonnenuntergänge als Sahnehäubchen obendrauf.


Der alte Mann im Felsen beim Sonnenuntergang
 

Es war auch gut, dass wir diese Tage noch zum Ausruhen nutzten, denn Jays Familie sollte nicht lange auf sich warten lassen und wenn die Iren ein mal im Anmarsch sind, dann ist es mit Ruhe und Frieden definitiv vorbei.


Episode 4: Pastorentochter heiratet Iren

Schon als wir Jays Familie in Halifax abholten, war mir klar, dass hier zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander treffen würden. Erst einmal hatte sich niemand innnerhalb Familie abgesprochen, was dazu führte, dass alle zu unterschiedlichen Zeiten landeten, Autos mieteten und getroffen werden mussten. Dann änderte sich minütlich Tagesplan sowie die Bedürfnisse aller, wobei es meistens damit endetet, dass man sich einfach irgendwo niederließ und Bier trank.


Meine Gastfamilie, die ja überhaupt keinen Alkohol trinkt, und sich klassisch nordamerikanisch an Absprachen und Pläne hält, schien derweil etwas verloren in der irischen wirbelnden Lebensführung. Meine Gastmutter hatte bald das Gefühl, dass sie keiner mochte, wobei Jays Familie versuchte das Alkoholverbot auf Campbellschen Gelände zu akzeptieren, so allerdings nie dort aufkreuzte, denn ein Ire ohne Bier ist wie ein Auto ohne Motor. Nichts läuft. Ich saß derweil etwas zwischen den Stühlen. Einerseits war mir der irische Haufen natürlich ziemlich sympathisch und ich genoss es mit ihnen anzustoßen, andererseits wollte ich meiner Gastfamilie gegenüber natürlich auch loyal sein.

Doch am Ende der Woche kam dann doch noch alles in Ordnung. Denn immerhin war es ein froher Anlass wegen dem hier alle zusammen gekommen waren. Und Glenda (meine Gastmutter) hatte an jenem Abend vor der Hochzeit zum Lobsteressen eingeladen und alle Iren kamen nüchtern und gesittet. Es wurde gemeinsam gegessen, erzählt und am Ende sogar noch zusammen musiziert und gesungen.

Am nächsten Tag war es dann soweit. Jenny verlangte ab ca. 10 Uhr nach einem alkoholhaltigem Getränk, um ihre Nerven zu beruhigen und alles schwirrte aufgeregt umher. Mir fiel dabei die Aufgabe zu mich möglichst unauffällig zu verhalten und ab und zu beruhigende Worte zu sprechen.

Die Hochzeit selber fand in nahegelegenen Cottages auf einer Klippe direkt überm Meer statt. Als ich dort ankam, war es ein bisschen so als ob ich mitten in einen schnulzigen Hollywood Film gelaufen wäre. Die Landschaft war wirklich malerisch und alles war wunderschön aufgebaut.


Jennys Onkel und ihre Cousine spielten schließlich auch noch Dudelsack, sodass die Filmkulisse perfekt war. Und während der Pastor vorne vor sich hinbrabbelte und ständig versuchte irgendwelche Witze zu machen, blieb wohl kaum ein Auge trocken.




Schließlich kam es dann tatsächlich zu zwei „I-do-s“, was auch die letzten Zweifler in die Schranken wieß und eine wunderschöne Hochzeit besiedelte. Danach wurden fleißig Fotos gemacht, reden gehalten, gegessen, getrunken, fliegende Lampions in die Luft gelassen, getanzt und gefeiert.

Joli und Mutter und Tochter Toupin. Freunde von Jen und Jay.




Bis schließlich alle völlig erschöpft und zufrieden in die Betten ihrer Cottages vielen.


Episode 5: PEI (Prince Edward Island): Kanadas kleinstes Juwel

Mein persönlicher Höhepunkt folgte kurz vor meiner Abreise: Ein Ausflug nach Prince Edward Island (oder P.E.I. wie die Insel in den Maritimes von Einheimischen genannt wird), Kanadas kleinster Provinz. P.E.I. ist so klein, dass die Insel in früheren Zeiten sogar schon mal vergessen wurde sie auf kanadischen Karten einzuzeichnen. Kein Wunder, denn erst seit 1997 gibt es eine Brücke, die PEI mit dem Festland verbindet, zu vor war man noch vollständig auf den Fährenverkehr angewiesen. Und auch heut zu Tage wird die Brücke im Winter manchmal wegen stürmischen Wetters gesperrt und wenn das Meer zwischen Nova Scotia und P.E.I. zugefroren ist, kann es passieren, dass man auf der Insel festsitzt. Wieder einmal ein ganz besonderes Ende der Welt also.

P.E.I. ist für genau drei Sachen bekannt: 1. Meeresfrische Lobster. 2. Cows, eine eigene Eismarke, die neben Eis auch alle möglichen Souvenierartikel anbietet (mein Lieblings T-shirt in diesem Jahr: Justin Beefer) 3. Anne of Green Gables, Kanadas wohl bekanntester Roman, der seine Höchstauflage vermutlich in Japan hat, da ein rothaariges freches Mädchen als Protagonistin agiert, was in Japan wohl eher eine Rarität sein sollte (während wir das in Deutschland ja alle nur zu gut kennen). Demnach war ein vollständiges Tagesprogramm also vorgegeben.

Da Jenny und Jay noch allerlei aufzuräumen und zu organisieren hatten, machte ich mich zusammen mit den Toupins, Freunden aus Saskatchawan auf den Weg zur Insel. Nachdem das Wetter in der Woche zu vor jeden Tag perfekt gewesen war, zeigten sich an diesem Tag zum ersten Mal Wolken und Regen. Trotzdem waren wir frohen Mutes, als wir uns auf den Weg zur Fähre machten. Kurz vor der Anlegestelle allerdings der erste Schock: ein Reh sprang direkt vor meinen Mietwagen und ich verfehlte es nur knapp. Durchatmen und gefahrenfrei die Fähre boarden.

Auf der Insel angekommen wollten die Toupins zunächst ein Hotel beziehen, denn sie hatten vor noch etwas länger auf P.E.I. zu bleiben, während ich noch am selben Abend zurück zur Cottage fahren wollte. Im ausgewählten Hotel bekamen wir dann auch direkt einen Insidertipp, wo man lecker und günstig Seafood essen könnte. So teilte ich mir mit Coleen (Frau Toupin) eine Meeresfrüchteplatte gefüllt mit frischen Muscheln, frischem Lobster sowie frittierten Jakobsmuscheln. Das Essen war vorzüglichst und kurze Zeit später rollten wir glücklich in Richtung Cows-Icecream-Store. Dort gab’s zum Nachtisch Eis vom allerfeinsten und ordentlich was zu lachen, denn Cows nimmt wirklich alle und jeden aufs Korn (z.B. „Go Cownada go!“ oder „The Big Barn Theory“). Außerdem durfte ich meinen Spieltrieb endlich mal wieder ausleben, denn vor dem Laden posierte eine riesige Kuh.
 
Nächstes Ziel war dann natürlich Anne of Green Gables und die in der Nähe liegenden Strände. Auf dem Weg dorthin machten wir allerdings gefühlt alle 5 Minuten Pause, um Fotos zu schießen, die Landschaft zu genießen, Enten die Straße überqueren zu lassen oder Souvenirs zu kaufen.




Schließlich schafften wir es dann doch noch zu Annes Haus. Das Gelände hatte allerdings schon geschlossen. Zunächst war ich ein bisschen enttäuscht doch letzten Endes war es sowieso schöner ohne eine Horde japanische Touristen durch die Gärten zu streifen (rein in den „Haunted Forest“ und rauf auf die „Violet Lane“) sowie ungestört Fotos vom Haus zu machen. Und das auch noch ohne Eintritt dafür zu bezahlen. 


Zu guter Letzt durften die Jungs (Herr und Sohn Toupin) auch noch ein Inukshuk am Strand bauen, welches wahrscheinlich heute noch aufs Meer hinausguckt und uns Goodbye winkte. Denn inzwischen hatte es schon zu dämmern begonnen und ich hatte noch einen langen Weg durch New Brunswick bis hin zur Cottage vor mir. Diesen überstand ich dann Gott sei Dank auch unversehrt, wobei ich zunächst diversen Füchsen ausweichen musste nur um direkt hinter der Confideration Bridge (Brücke, die P.E.i. und das Festland verbindet) von riesigen „Achtung Rentiere auf der Strecke“ blinkenden Warnschildern begrüßt zu werden. Panisch versuchte ich mich nicht vom drängelnden LKW hinter mir aus der Ruhe bringen zu lassen, während ich jede Sekunde mit einem 2 Meter großen Elch vor meinem Auto rechnete.  Die Elche blieben jedoch der Strecke fern und so musste ich lediglich noch ein dickes fettes Gürteltier meiden, das sich zum schlafen mitten auf den Highway gelegt hatte. 

Kanadas traditionelle Inukshuks
Natürlich war die Zeit in den kanadischen Maritimes mal wieder viel zu schnell rumgegangen, doch so ist das nun mal, eine Großstadt wie Vancouver wartet schließlich auf niemanden.