Sonntag, 17. August 2014

Alles eine Frage der nationalen Sicherheit

Jeder, der in den letzten Jahren einmal in die Vereinigten Staaten von Amerika gereist ist, wird es kennen: Jeder nicht amerikansche Staatsbürger muss inzwischen eine sehr lästige und beschwerliche Prozedur bei der Landeseinreise über sich ergehen lassen. Wer in den USA einen Anschlussflug erwischen möchte, sollte mindestens 3 Stunden Umsteige- bzw. Einwanderungszeit einplanen. Ähnlich umständlich ist die Einreise via Automobile, zumindest, wenn 3 junge Deutsche es wagen, einen „Roadtrip“ von Vancouver bis San Francisco - einmal die Westküste Nordamerikas herunter - etwas planlos in Angriff zu nehmen.

Ich würde es wagen zu behaupten, dass ich im Laufe der letzten Jahre eine gewisse Routine in Sachen Grenze entwickelt habe. Meine Herangehensweise ist dabei stets gleich: Dumm, aber freundlich. Den Fragenhagel, den man über sich ergehen lassen muss, sollte man stets souverän und möglichst direkt beantworten oder vortäuschen die Frage nicht gehört oder verstanden zu haben. Die Antworten sind eigentlich immer dieselben: Der eigene Arbeitsstatus, die Zieladresse in den USA (oder dem Land, in welches man reist) sowie die persönlichen Beziehungen zu Mitreisenden oder den Lieben, die man am Zielort besuchen möchte und dann natürlich wiederum deren Arbeitsstatus, Zieladresse, Mitgliedsnummern in terroristischen Untergrundorganisationen etc. Nun gilt es nur noch die richtigen Antworten auf die gestellten Fragen zu finden. Des weiteren sollte man ganz genau im Kopf haben, wie viele Waffen, Regenschirme und Blaubärmuffins man versucht ins Land zu schmuggeln. Was man hierbei auf seinem „Customs Form“ angibt scheint dabei eine geringere Rolle zu spielen als man zunächst vermutet. So wurde uns nach 3 stündiger Wartezeit an der Grenze sowie einer ausführlichen Autokontrolle durch die Landwirtschaftsabteilung die Mitnahme einer geöffnete Milchtüte sowie von Äpfel und Nektarinen gestattet, während eine mexikanische Avocado leider draußen bleiben musste. Komisch, dass man in amerikanischen Supermärkten eigentlich ausschließlich Avocados aus Mexiko finden kann. Wie dem auch sei, darum soll es in diesem Eintrag eigentlich überhaupt nicht gehen.

Ich wollte nämlich etwas ganz anderes erzählen, etwas, was ich am letzten Wochenende auf meiner Reise nach Seattle erlebte. Seattle ist in der Tat nur ca. 3-4 Stunden (je nach Aufenthaltszeit bei der Grenzkontrolle) von Vancouver entfernt und so beschloss ich einen Kommilitonen zu besuchen, der zur Zeit ein Praktikum in Seattle macht. Von Vancouver nach Seattle fährt man am Besten mit dem Bus. (Der Zug soll wohl auch sehr schön sein, ist allerdings auch um einiges teurer.) So kam es, dass ich mich eines Freitag Nachmittags in einem Bus in Richtung Seattle wiederfand. Mit dem Bus die Grenze zu überqueren hat den großen Vorteil, dass der Bus eine eigene Expressspur hat, die Busgesellschaft die Grenzstation bei Eintreffen sozusagen vorwarnt und man so relativ zügig abgefertigt wird. Nachdem der Busfahrer und sein Assistent den eigenen Papierkram erledigt hatte, dackelten wir also alle in Reih und Glied ins Grenzhäuschen herein. Internationale voran, US-Amerikaner und Kanadier zum Schluss – bei denen geht es normalerweise ungewöhnlich zügig. Merkwürdiger Weise fand ich mich ganz vorne in der Schlange und schritt (dumm, aber freundlich) auf den nächst besten Grenzbeamten zu. Dieser belehrte mich erst einmal ausführlich darüber, dass ich hätte warten sollen bis er mich aufgerufen hätte und wie ich es denn finden würde, wenn er jetzt meinen Namen in den Haftbefehl eintragen würde, den er gerade noch ausfüllen musste. Ich nickte fürchterlich dumm zu all dem, was er sagte und entschuldigte mich ausreichend freundlich, sodass er sich dann doch noch dazu herab ließ mich zu interviewen. Der Tanz des Fragens und Antwortens begann und als ich mich scheinbar in seinen Augen gut genug geschlagen hatte, bekam ich meinen „Visa Waiver“ und durfte ich passieren.


Kurz war ich noch versucht ihn darauf hinzuweisen, dass Deutschland schon seit einiger Zeit nicht mehr in West- und Ostdeutschland geteilt ist, besann mich dann aber eines besseren, beglich die US$6 Einreisekosten (ausschließlich in US amerikanischen Dollars oder mit Kreditkarte bezahlbar, nur für den Fall, dass hier jemand bald mal in die USA einreisen möchte) und betrat anschließend die vereinigten Staaten von Amerika.

Da ich ja als eine der ersten durch die Kontrolle gegangen war und da im Bus klimatisierte 10 Grad herrschten, beschloss ich mein Gesicht (typisch Deutsch) Nase voran noch ein bisschen in die Sonne zu halten. Schon bald bemerkte ich eine japanische Touristin, die sehr verwirrt vor dem Bus herumstand und mit etwas in ihrer Hand wedelte. Sie versuchte zunächst den Busfahrer etwas zu fragen, dieser konnte ihr stockendes Englisch jedoch nicht interpretieren und verwies sie – dumm aber freundlich – an seinen Assistenten, einen fröhlichen Afroamerikaner mit tonnenschweren tiefschwarzen Rasterlocken. Auch der freundliche Assistent war etwas verwundert auf Grund der Tatsache, dass sie ihm ihr ausgefülltes „Custom Form“ unter die Nase hielt. Wo sie dieses denn abgeben sollte, wollte sie wissen. Wie sich herausstellte, war sie einfach dem Busfahrer hinterher gelaufen anstatt wie alle anderen ins Gebäude und durch die Grenzkontrolle zu gehen. Es braucht also nur eine naive japanische Touristin, um das Sicherheitssystem des sichersten Landes der Welt zu knacken.


Alle mitlesenden US Amerikaner, die jetzt schon aus Angst vor einem japanischen Terrorangriff kräftig in braune Papiertüten pusten, kann ich beruhigen: Die Japanerin wurde vom Busfahrer schließlich doch noch zum richtigen Eingang geleitet und mit dem im Fragenkatalog vorgesehenen Ausforschungen investigiert. Trotzdem sollte Vorsicht gellten. Von mir habt ihr diese Geschichte sicherlich nicht gehört, denn diese omnisöse Nationale SicherheitsAgentur liest ja bekanntlich ALLES mit. Ein Glück, dass „google translator“ deutsch bisher nur im Grundkurs belegt hat.