Dienstag, 17. April 2012

Back in Brisbane – Der ganz normale Wahnsinn

Episode 1: Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden (japanisches Sprichwort)


Wir Deutschen beschweren uns ja schon mal gerne über das öffentliche Nahverkehrnetz, die deutschen Bahn oder einfach den allgemeinen fürchterlichen Zustand jeglicher Verkehrssysteme. Ich, als leidenschaftlicher über-den-Bus-Beschwerer-und-Aufreger stöhne meistens am Lautesten. Doch jedem, der sich über deutsche Züge, Busse oder Bahnen beschwert, kann ich nur einen Auslandsaufenthalt im Nahverkehrsentwicklungsland Australien empfehlen.
Es begann alles bereits früh am morgen meines ersten Arbeitstags, als ich sehr verwirrt an der Bushaltestelle vor Jonas Wohnung folgende Hiobsbotschaft zu lesen bekam:


Glücklicherweise stellte sich die Aufgabe 7 Meter näher an unseren Hausausgang ranzugehen als nicht zu schwierig heraus, doch während einige von euch vielleicht (zurecht) über dieses Schild schmunzeln werden, fass es das größte Problem der Busfahrerei hier sehr gut zusammen:
„...and ensure the driver can clearly see you hail.“
An besagtem “Brunswicks St“ stop 9 ist das noch nicht das Problem, da die Haltestelle zu meist von mehreren New Farmern (so heißt der Bezirk, in dem ich lebe) bevölkert ist und ich so darauf vertrauen kann, dass einer meiner australischen Mitwartenden in der Lage ist die richtige „Hailtechnik“ anzuwenden. Ich hingegen muss mich voll und ganz darauf konzentrieren herauszufinden, ob ich nun in einen Expressbus steige, der dann regelmäßig an meiner Umsteigehaltestelle vorbeirauscht und direkt in die Stadt fährt oder ob mich der Bus bequem im Valley absetzt.
Sollte ich es also erfolgreich geschafft haben das Valley zu erreichen (zur Erinnerung: 7 Meter zurück gegangen, Bus hat angehalten, ich bin in den richtigen Bus eingestiegen bzw. rechtzeitig ausgestiegen), beginnt der schwierige Teil der Busfahrerei. Es ist nämlich so, dass der Taigum Express, den ich am Besten zur Arbeit nehme, nur ca. halbstündig fährt. Dabei heißt es auf der Translink (Brisbaner Verkehrssystem) Seite, dass man damit rechnen muss, dass der Bus bis zu einer Viertelstunde vor der angegebenen Zeit ankommen kann, wobei er tatsächlich jedoch ca. 10 Minuten später kommt. Nun befinde ich mich also jeden Morgen in der Situation abzuschätzen, ob der Bus nun schon da war oder eben noch nicht. Das ist von daher wichtig, da der andere Bus (der zwar etwas länger braucht und bei dem ich weiter laufen muss), den ich noch nehmen kann, von einer Haltestelle 95 Meter weiter unten auf der Straße abfährt. Was mich nun wieder zu der richtigen Hailtechnik zurückbringt. Denn ein Bus hält nicht an, wenn man nicht unter dem Haltestellenschild steht und eben vollkommen korrekt hailt. Aber sas ist denn eigentlich nun „hail to the driver?“. Folgendes Abbildung macht die richtige Technik und Positionierung deutlich:


Wichtig dabei ist, dass der Arm genau den richtigen Winkel zum Rest des Körpers hat, wobei man bei Ausführung des Hails nah genug an der Straße stehen muss, um vom Busfahrer als erfahrener Hailer erkannt zu werden, aber weit genug weg, um nicht vom Bus überfahren zu werden. Sollte man z.B. Blickkontakt mit dem Busfahrer haben und diesem kurz zunicken, so nickt dieser freundlich zurück und rauscht an einem vorbei. Gleiches gilt für winken oder panisches Rennen (wobei eine Kombination aus beiden schon mal zu Erfolg führen kann). Ihr seht, es ist nicht so einfach einen australischen Bus davon zu überzeugen, dass man gerne mitfahren möchte.
Sollte man es schließlich in den Bus geschafft haben, gilt es sich und sein Gepäck so gut zu sichern wie eben möglich. Eine Busfahrt nach Chermside steht jeglichem Fahrgeschäft auf den Wiesen in nichts nach (außer vielleicht, dass es im Bus keine Möglichkeit gibt sich anzuschnallen). Während man also abwechselnd sich selbst von der Decke des Busses oder sein Gepäck vom Vordersitz auflesen muss, gilt es genaustens auf den Weg zu achten. Die Vorzüge eines Ansagesystems (selbst wenn erfahrene Kritiker jetzt anmerken werden, dass man deutsche Ansager sowieso nicht verstehen kann) sind noch nicht bis nach Australien durchgedrungen und ähnlich wie das richtige Hailen will das abgepasste Drücken geübt sein. Da der Bus in der Regel mit ca. 70 kmh über die Straßen brettert, darf man nicht so spät drücken, dass der Bremsweg für ein abruptes Stoppen nicht ausreicht. Hingegen darf auch nicht so früh gedrückt werden, dass man sich noch an der vorherigen Haltestelle befindet, denn dann scheint es eine moralische Verpflichtung zu geben genau an dieser Haltestelle auch auszusteigen.

Inzwischen bin ich natürlich ein erfahrener Profihailer und drücke mit eingeübter Coolness immer genau im richtigen Zeitpunkt. Und wenn man sich richtig zwischen die Sitze klemmt, kann man sogar ein paar Seiten während der Busfahrt lesen...


Episode 2: Deutsche Invasion in der Lab

Während ich im letzten Jahr noch als echte Exotin im Lab galt und nur mit einer Französin konkurrieren musste, bin ich inzwischen nur noch eine unter vielen. Tatsächlich würde ich nun mit Australischer Staatsangehörigkeit der Minderheit angehören. Während Michael eisern die grün-goldenen Farben aufrecht hält, lässt sich Shaun nur noch ein- bis keinmal die Woche blicken und Daniel ist inzwischen auch schon nach Europa geflohen, sodass Amtssprache im Lab nun zu Deutsch erklärt wurde (Michaels Sprachkenntnisse werden täglich besser).
Die restliche Belegschaft setzt sich wie folgt zusammen:
Frank, ein echter Dresdener Ingenieur, macht seinen gesamten Doktor hier. Jo, ein ehemaliger RWTHler, macht gerade Zwischenstation in Brisbane während seines Work and Travel Jahrs. Matthias, ein noch aktueller RWTHler, macht hier ein halbjähriges Praktikum. Neben uns Deutschen bringen David, ein kolumbianischer Masterstudent, und Yu („who me?“,“no not you, Yu...“) ein japanischer Masterarbeiter ein wenig Internationalisierung in den Arbeitsalltag. Nur am traditionellen Student-Monday erinnert man sich wieder, dass wir hier eigentlich in einer australischen Arbeitsgruppe sind.
Die gesamte Truppe (einschließlich der Studenten) ist inzwischen so angewachsen, dass unser letztes monatliches Treffen, an dem jeder sein Projekt und seine Arbeitserfolge kurz vorstellt, über 2,5 Stunden gedauert hat. Es wird also an allen Ecken und Enden des künstlichen Herzens eifrig optimiert und gebastelt.
Die Arbeit an sich ist nach wie vor sehr interessant. Während ich mich im alltäglichen Arbeitsbetrieb immer mit einer Wasser-Glyzerin Mischung einsaue, die die Viskosität von Blut imitieren soll, war wohl der spannendste Teil bis jetzt Shaun bei Versuchen am zunächst tierischen und schließlich sogar menschlichen Herzen zu assistieren. Wobei es genau bei diesen Versuchen ging, kann ich aus Geheimhaltungsgründen (beim Wort Patent hab ich reflexartig abgeschaltet) natürlich nicht erzählen, aber die Erfahrung ein Herz aus einer Leiche zu explantieren und danach Versuche damit zu machen, war wirklich ziemlich krass.


Dabei musste ich auch feststellen, dass an mir ein großes chirurgisches Talent verlorengegangen ist, als ich mit geübter Nadelführung die Löcher in der Herzwand wieder zunähte.



Episode 3: Die Qual der Wahl

Während ich seit meiner Ankunft in Brisbane von Meer, Sonne und Strand träumte, hatte Jonas da ganz andere Pläne für seine kleine Schwester. An meinem ersten Wochenende in „Queensland – Sunshine State“ standen Landtagswahlen an. Jonas hatte für diesen Tag eine große Versuchsreihe für seine Promotion geplant und so machten wir armen Würmer uns Samstag morgen um 06:00 Uhr auf den Weg mit Herzmessgeräten und Fragebögen bewaffnet, und bauten unser „Versuchslabor“ neben dem Wahllokal auf.
Bei der Studie ging es darum zu schauen, wie sich die Herzrate ändert, wenn Leute wichtige Entscheidungen treffen (so z.B. das Kreuz bei einer Wahl setzten) und ob es einen Zusammenhang zwischen ökonomischen Entscheidungen und ihrer Wahlentscheidung, ihrem Wohnsitz und anderen Eigenschaften (deshalb der Fragebogen) gibt. Während wir also in einem Wahlbezirk unsere Zelte aufgeschlagen hatten, besetzte ein anderes Team einen anderen. Beides Bezirke, in denen die Entscheidung zwischen Labour und Liberals noch ziemlich knapp ausfallen könnte.
In Australien herrscht Wahlpflicht und das allgemeine Wahlkampfprinzip scheint vorzusehen, dass man die Wähler am Eingang der Wahllokale noch von seiner Partei überzeugt. So mussten wir uns zwischen überdrehte Wahlkämpfer quetschen und die genervten Leute davon überzeugen, dass wir Forschung für die Uni machen wollten anstatt Werbung zu verteilen. Besonders erschwert wurde diese Aufgabe durch Kate Jones, die Kandidatin der Labourpartei für diesen Bezirk.


Unermüdlich sprang sie vor jeden ankommenden Wähler, ergriff sogleich eine freie Hand und schleuderte den verwirrten Ankommenden mit ihrem immer grinsenden Gesicht ein fröhliches „hey, how you’re doing?“ entgegen. Dies führte nun dazu, dass die Leute zu geschockt von diesem Zusammenstoß waren, als das sie sich auf Uniresearch hätten einlassen können oder aber sie hatten es geschafft ein Schlupfloch zu finden und stürmten froh der Gefahr entkommen zu sein direkt ins Wahllokal.
Erst als wir den Hintereingang, bei dem wir uns nur von den Hotdogverkäufern abheben mussten, auch noch sicherten, konnten wir eine halbwegs stetige Erfolgrate aufweisen.
Letztendlich schafften wir es aber doch ca. 80 Leute davon zu überzeugen während des Wählend einen Herzmonitor zu tragen und anschließend einen Fragebogen auf Ipads auszufüllen. Und das ganze in nur 10 Stunden.
Als wir schließlich diesen ersten sonnigen Tag, den ich in Brisbane erlebt hatte, hinter uns gebracht hatten, waren wir so platt, dass wir gegen 21:00 Uhr schon soweit waren ins Koma zu fallen. Ich versuchte mich noch etwas länger wach zu halten, da ich fürchtete, dass mich die überdrehte immerzu lachende Kate bis in meine Träume verfolgen würde. Das tat sie dann schließlich glücklicherweise nicht, vielleicht auch weil die Labour Party die Wahl hoffnungslos verloren hatte.
Auf jeden Fall blieb am nächsten Tag ausreichend Zeit an die Gold Coast zu fahren und endlich ins Meer zu springen (auch wenn es am nächsten Tag natürlich äußerst bewölkt war...).

Mittwoch, 4. April 2012

14.-18.03.2012 Melbourne


1. Tag: In 80 Kilometern durch Melbourne

Römischer Mythologie zur Folge ist Hermes unter Anderem der Gott der Reisenden. Etwas modernere Legenden besagen, dass ich zu den wenigen Auserwählten gehöre, die genau wissen wie sie Hermes in Zeiten des Weltenbummelns effektiv anbeten und so problemfrei und vor allem größtenteils schlafend die Welt durchqueren können. Dem Mythos zu Folge braucht man allerdings einen magischen Gegenstand (ähnlich dem eines muslimischen Gebetsteppichs oder eines gekreuzigten Jesus), mit welchem die Kommunikation zu Hermes erst möglich wird. Während ich also nun die ca. 16590 km zwischen Düsseldorf und Melbourne zurücklegte, baumelte eben jener magische Gegenstand zufrieden vor sich hinschlummernd in meiner verlassenen Wohnung in Aachen. So kam es, dass ich wie jeder übliche Amateur-Reisende müde und zermürbt nach 13 Stunden und 25 Minuten Non-Stop-Flug von Dubai nach Melbourne aus dem Flieger ausstieg und mich etwas orientierungslos nach meinem Gepäck umschaute (die mitgebrachte Deutschlandfahne hatte sich noch beim Sondergepäck versteckt).

Doch in Melbourne brach gerade ein neuer Tag an und so galt es Müdigkeit und Erschöpfung hinter sich zu lassen und die Eindrücke der Stadt aufzusaugen. Dazu hatte ich dann auch gleich ausgiebig Gelegenheit, denn nachdem ich naiv in den nächstbesten Bus eingestiegen war, befand ich mich doch tatsächlich am falschen Ende der Innenstadt. Eigentlich war ich mit Annika (einer Kommilitonin aus Aachen, die gerade ein Auslandssemester in Melbourne macht) an der Central Station verabredet, aber eben jener erstbeste Bus spuckte mich an der Southern Cross Station aus. Da an Gleis 9 ¾ leider gerade umgebaut wurde, musste ich wohl oder übel am Bahnhof warten bis Annika mich unter meinem Gepäckhaufen wiederfand. Denselben schleppten wir dann erstmal die ca. 3 km bis zu Annikas Studentenbude. Das Gebäude erinnerte von Außen ein bisschen an eine Mischung aus Gefängnis und heruntergekommenem Fabrikgebäude und war auch von innen ein bisschen kahl gehalten. Da die Zimmer immer nur semesterweise an internationale Studenten vermietet wurden, befand sich die Inneneinrichtung noch in der Aufbauphase, doch Annika arbeitete bereits fleißig am Aufschwung der Gemütlichkeit. Hilfreiche Unterstützung bekam sie dabei von ihrer kanadischen Mitbewohnerin und teilweise auch vom polnischen Mitbewohnern. Den Asiaten war der Werdegang der Wohnung allerdings sichtlich egal bzw. schienen sie sich sogar einer kontraproduktiven Verdreckungsbewegung angeschlossen zu haben.

Wir machten uns also schnell auf die Stadt zu erkunden. Bei strahlendem Sonnenschein schlenderten wir am Ufer des Yarra-Flusses entlang, gönnten uns einen dampfenden Kaffee in Melbournes kleinen Gässchen, staunten über die Graffittikunstwerke an den Häuserwenden und ließen uns einfach von Melbournes aufgeweckter Geschäftigkeit treiben. Gegen Mittag hatte Annika dann ein Vorstellungsgespräch für einen Job an der Uni, sodass ich ein bisschen Zeit hatte, meine müden Knochen auszustrecken und im Unipark ein halbes Stündchen vor mich hinzudösen. 


Danach ging’s aber direkt weiter und zwar in den Queens Victoria Garden, in dem wir ausgiebig picknickten. Da die Australier nicht nur hervorragend die Sonne anbeten können, sondern auch ganz gut in der Weinproduktion sind, wurden Brot und Aufstrich mit einem erfrischenden Weißwein gekürt. Bester Laune ging’s dann weiter durch den Park und den angrenzenden botanischen Garten. 


Inzwischen war ich mir schon nicht mehr sicher, ob ich noch Füße oder schon aufblasbare Kissen an meinen Beinen trug, doch der Tag war natürlich noch nicht vorbei. So tankten wir ein bisschen Energie im Wohnheim und machten uns anschließend auf den Weg in die Carlton Gardens. Dort galt es noch ein bisschen Wein zu genießen, dem australischen Volk beim Tennis zuzugucken und sich von Mücken vollkommen auffressen zu lassen (das galt vor allem für mich alten Süßbluter). Als wir schließlich wieder zurück zu Hause waren, ließ ich mich vollkommen platt auf meine Isomatte fallen. Ich bekam noch gerade so mit, wie Annika mir verkündete, dass ich jetzt Geburtstag hätte bevor ich zumindest kurzzeitig das zeitliche segnete.


2. Tag: Kaffeekranz mit Haien und Killerrochen

Solide 9 Stunden später erwachte ich etwas orientierungslos aus meiner Komastarre. Annika war beriets zur Uni gegangen und so hatte ich etwas Zeit mich zu akklimatisieren. Einen großen Kaffee und einen ausgepackten Haufen Geschenke später, war ich wieder topfit und bereit zu neuen Abenteuern aufzubrechen. Ein Blick nach draußen verriet mir, dass ich mein angestammtes Geburtstagswetter mit nach Melbourne genommen hatte, denn es regnete in Strömen. Der ursprüngliche Plan eines Strandausflugs wurde also gleich wieder verworfen, doch ein bisschen Meeresleben sollte ich doch erleben dürfen.

Wie ich mich an meinem 25. Geburtstag wie an meinem 15. Geburtstag fühlte, Teil 1:
Los ging der aktive Teil des Tages also nun in Melbournes großem Aquarium (was eigentlich auch nur ein etwas schickeres Wort für „Zoo für Meerestiere“ ist). Pinguine, Haie, Riesenrochen, bunte Fische, farblose Fische (sogar durchsichtige), große Fische, kleine Fische, Korallen, Sägefische, Seesterne, Oktopusse, Seepferdchen, jedes erdenkliche Meeresgesocks tümmelte sich in verschiedenen Aquarium und wurde von uns mit „ah“-, „ih“-, „ohs“ und „hihis“ bestaunt und belacht. Die Fische schienen uns auf jeden Fall weniger aufregend zu finden als andersherum und da wir dann doch irgendwann einsehen mussten, dass sich langfristig hier keine tiefsinnigeren Freundschaften würden entwickeln können, machten wir uns wieder auf den Weg.


Das Wetter hatte sich nicht genug stabilisiert, um ein ernsthafteres Outdoorprogramm zu unternehmen und so hangelten wir uns von Kaffee zu Kaffee und schließlich zu leckerem Geburtstagskuchen in der WG. Der Kuchen wurde von edlem Goon (australischem Billigwein) begleitet und so begann...

...wie ich mich an meinem 25. Geburtstag wie an meinem 15. Geburtstag fühlte, Teil 2:
Annika hatte einen Tisch in einer Bar in der Innenstadt reserviert. Dieser war zwar als wir ca. eine Stunde zu spät dort ankamen schon von anderen besetzt, aber auch ohne Balkonplatz schmeckte das Essen hervorragend. Dazu gab es nach gutem alten „Ladys Night“ Donnerstagsangebot „Champagne“ (Achtung! Es kann auch schon beim lesen der folgenden Erlebnisse zu Kopfschmerzen kommen) für einen Dollar. So stieß ich also mit einer Traube internationaler Studenten mitten in Melbourne auf meinen Geburtstag an. Die ganze Szene wurde mit Hits, an die ich mich noch entfernt aus meiner Schulzeit erinnern konnte, unterlegt. Die Mädels mir gegenüber unterhielten sich derweil über einen ganz gut aussehenden, aber unglaublich alten Typen. Als sie mir mit großen Augen eröffneten, dass dieser schon 30 sei, beschloss ich doch lieber auf Bier umzusteigen und mich innerlich schmunzelnd für den Rest des Abends eher in die Beobachterposition zurückzuziehen. 


3. Tag: No cash on the tash

Was sich am vorherigen Abend noch als beiläufige Nebensächlichkeit dargestellt hatte, stellte sich am Freitag als richtiges Problem heraus: Irgendwie hatte es geschafft auf meinem Hinflug den Magnetstreifen meiner Bankkarte kaputt zu bekommen. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich noch ganz gut mit Bargeld ausgekommen, aber nun stand ich etwas blöd da, als mir der ca. 10te Bankautomat verkündete, dass er „leider“ meine Karte nicht lesen könne. Derweil hatte Annika ihre eigenen Probleme mit der Geldbeschaffung mittels Kreditkarte (PIN Angabe nach Konsum von 1$ Champagne sollte weltweit verboten werden). So standen wir etwas bedröppelt in der Gegend herum und überlegten, was man wohl in Melbourne kostenlos und bei Regen so machen könnte. Erbost stieß ich meine Faust gen Himmel: „Hermes! Hast du mich etwa verlassen? Auch ohne magischen Gegenstand bin ich doch auf dich angewiesen!“ Doch das bewirkte nur, dass es noch heftiger regnete.

Am morgen hatte ich mich auf dem Weg zum ca. 500 Meter entfernten Melbourne Museum bereits verlaufen und auch wenn mich die dortigen Ausstellung vollkommen begeistert hatten, hatte ich inzwischen die Nase voll von Tagesabläufen, die nicht so liefen, wie ich mir das vorstellte. Als Antwort auf all unsere Sorgen und Probleme nahmen wir erst einmal die kostenlose Tram. Diese Touribimmelstraßenbahn fährt munter im Kreis um Melbournes Innenstadt herum und erzählt einem etwas über Sehenswürdigkeiten und deren Öffnungszeiten. So ließen wir den Regen regnen und die Bankkarten nicht bänkern und schauten uns Melbourne durch verschwommene, regentropfenbedeckte Tramfenster an.

Die Fahrt brachte uns schließlich zum Immigrantenmuseum (neue Fahrtziele können nämlich in der kostenlosen Tram schnell in den aushängenden Touribroschüren herausgesucht werden). Das Museum überraschte mich positiv. Insgesamt lässt sich festhalten, dass in Australien die Museen sehr liebevoll gestaltet sind. Selbst wenn es inhaltlich nicht so viel zu entdecken gibt, so gibt es immer kleine Geschichten zu lernen, etwas zum anzufassen oder zum auszuprobieren. So konnten wir uns z.B. in nachgebauten Kabinen eines Einwanderungsschiffes austoben oder per Knopfdruck die Geschichte verschiedener eingewanderter Nationen erfahren. 


Der Tag war schließlich so dahin geplätschert und hatte am Ende schließlich doch noch eine ganz schöne Wendung genommen. Schließlich zogen wir uns dann auch früh zurück, da am nächsten Tag der Besuch bei der Formel 1 anstand.


4. Tag: Das Schamhaar im Eis

Zum Frühstück wollten wir uns noch gut stärken, damit der lange Formel 1 Tag gut durchgestanden werden konnte. Annika hatte einen Gutschein für ein Pfannekuchenrestaurant und so machten wir uns gegen 11:00 Uhr auf den Weg zum Pancake Parlour. Auf Grund der schon etwas fortgeschrittenen Uhrzeit knurrte mein Magen ordentlich und sobald mein Pfannekuchen vor mir gelandet war, wollte ich mich gierig auf Eis, Sirup und Teigware stürzen, doch ein Entsetzensschrei von Annika hielt mich zurück. Mitten auf meiner Schokoeiskugel türmte sich ein schwarz geringeltes Haar. Dick und glänzend hatte es sich dort drapiert, als wolle es einmal in seinem Leben einen ruhmreichen Auftritt hinlegen wollen. Der verdutzte Kellner war sichtlich peinlich berührt (was mich wiederum belustigte, war es etwa sein Haar?) und verschwand mit meinem Frühstück inklusive Pfannekuchen und (Scham?)Haar wieder in der Küche. Kurze Zeit später kam er mit unbehaartem Eis und einem Haufen Gutscheine wieder. Es täte ihm so Leid, versicherte er uns mehrfach und Kaffee und Frühstück gingen natürlich auch aufs Haus. Ich dankte Hermes im Stillen für unser kostenloses Frühstück und überlegte, ob es sich lohnen würde für die Zukunft ein entsprechendes Haarexemplar immer parat zu haben (verwarf diesen Gedanken jedoch sowohl aus hygienischen als auch aus moralischen Gründen schnell wieder).

Der Tag war demnach gut angerollt und kaum waren wir am Formel 1 Gelände angelangt, wurden wir auch schon mit einer Kampffliegerflugshow begrüßt. Trotz einer gewissen angeborenen Ignoranz und Intoleranz gegenüber Kampffliegern, muss ich gestehen, dass es schon beeindruckend ist zu sehen, wie 7 Flugzeuge auf engstem Raum irgendwelche „Pirouetten“ (ja, ja, ich weiß keine angewandte Militärssprache) drehen.

Das eigentliche Formel 1 Gelände erinnerte dann ein bisschen an ein Open Air Fesitval. Nur dass anstatt von Bässen Motoren dröhnten, anstelle von Konzertbühnen Motorcrossrampen aufgebaut waren und im großen Albert Park See Jetskiwassershows vorgeführt wurden. Doch die Leute saßen auf Decken, Campingstühlen oder einfach auf der Wiese, tranken ein kühles Bier, aßen ne Wurst oder Pommes, unterhielten sich, schauten Leute oder Autos und sogen einfach die Atmosphäre auf.


Wir waren am Tag des Qualifyings da und hatten ehrlich gesagt nicht so viel Ahnung was wann und wie von Statten gehen würde. Auf einmal brummten mächtig laute Formel 1 Motoren los und panisch dachten wir schon, es würde jetzt schon alles losgehen, bis wir auf einer Leinwand herausfanden, dass es sich noch um das abschließende Training handelte. Am Ende hatten wir genügend Durchblick, um uns für das Qualifying einen ganz guten Platz zu suchen, auch wenn wir (leider) die Unfälle und Fahrfehler immer verpassten. Dass weder Sebastian Vettel noch Michael Schumacher (man lese diese beiden Namen bitte mit englischer Betonung) die Pole Position erreichten, war eigentlich eher nebensächlich und deshalb gar nicht so schlimm, denn der erlebnisreiche Tag hatte sportliche Enttäuschung mehr als nur wettgemacht.
Abends ging’s dann noch los St. Paddy’s Day feiern. Ganz in grün und mit Goon (sympathetische Kopfschmerzen sind erneut angebracht) bewaffnet hieß es nun wieder internationales Volk zu beobachten. Mir schien es als wäre Australien für viele das Land, in dem sie sich zu verwirklichen versuchen und für manche Wenige das Land, in dem sie innere Ruhe (und vielleicht auch Selbstverwirklichung) gefunden haben. (Meine Beobachtungen beruhen allerdings aller Wahrscheinlichkeit nach auf einer Kombination von einem Tag in der Sonne sowie mehreren Gläsern Goon.)


5. Tag: Bye bye Melboure, welcome home?
Am nächsten Tag trennten sich Annikas und meine Wege. Während Annika sich auf zum entscheidenden Formel 1 Rennen machte, wollte ich den sonnigen Morgen noch auf dem Victoria Market genießen bevor dann nachmittags mein Flieger ging.

Solltet ihr je an einem sonnigen Sonntag in Melbourne sein, so kann ich nur empfehlen auf den Victoria Market zu gehen. Es ist ein bisschen wie ein asiatischer Nachtmarkt, nur eben in der morgendlichen Mittagssonne, ein bisschen ordentlicher und sauberer und bei europäischer Atmosphäre. An meinem Sonntag spielte beispielsweise eine französische Band, Chansons aller Art. Die wuselige Geschäftigkeit der Melbourner schien genau hier ihren Wochenhöhepunkt zu finden und wäre da nicht ein Zimmer voll Chaos und ein Flug am Nachmittag gewesen, hätte ich den ganzen Tag auf dem Viktoria Markt verplempern können.
Trotz meines rechtzeitigen Aufbruchs auf dem Victoria Market schaffte ich es natürlich mich für meine endgültige Abreise extrem zu verspäten und nur mit Glück („Im Namen des Hermes, aller Reisenden und des magischen Gegenstandes“) noch rechtzeitig für meinen Flug einchecken zu können (die ca. 12 kg Übergepäck bleiben an dieser Stelle unerwähnt).

Und so landete ich am Sonntag, den 18.03. um 17:55 Uhr wohlbehalten in Brisbane, wo Struppi bereits auf mich wartete und ich ein bisschen das Gefühl hatte zu hause angekommen zu sein.